Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
wohnst in der Nähe?«, fragte sie.
»Nicht weit entfernt. Ein Stück nördlich von Winston-Salem. Außerhalb von King.«
»Das klingt nobel.«
»Es ist vieles, aber das nicht. Eine Kleinstadt mit freundlichen Menschen, aber das war’s auch schon. Wir haben da oben eine Ranch.«
»Wir?«
»Meine Mutter und ich. Also, genau genommen ist es ihre Ranch. Ich wohne und arbeite nur dort.«
»Wie, eine richtige Ranch? Mit Kühen und Pferden und Schweinen?«
»Es gibt sogar eine Scheune, gegen die diese hier neu aussieht.«
Sophia betrachtete das Gebäude hinter sich. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Vielleicht zeige ich sie dir eines Tages. Mache mit dir einen Ausritt und so.«
Ihre Blicke trafen sich für einen langen Moment, und wieder berührte sie seinen Arm. »Nichts dagegen, Luke.«
KAPITEL 4
Sophia
Sophia war sich nicht sicher, warum sie das gesagt hatte. Die Worte waren einfach aus ihrem Mund gesprudelt, ehe sie sie aufhalten konnte. Sie überlegte, einen Rückzieher zu machen oder es abzutun, aber seltsamerweise wollte sie das gar nicht.
Es hatte weniger mit seinem Aussehen zu tun, obwohl Marcia absolut recht gehabt hatte. Er war auf eine jungenhafte Art attraktiv, sein freundliches, offenes Lächeln wurde von Grübchen noch betont. Zudem war er schlank und drahtig, seine breiten Schultern bildeten einen Kontrast zu den schmalen Hüften, und die widerspenstigen braunen Locken unter dem verbeulten Hut waren definitiv sexy. Was aber wirklich auffiel, waren seine Augen – sie hatte schon immer eine Schwäche für schöne Augen gehabt. Seine waren von einem Sommerblau, so leuchtend und hell, dass man farbige Kontaktlinsen vermuten konnte, auch wenn Luke solche Dinger mit Sicherheit albern gefunden hätte.
Es schadete auch nicht gerade, musste sie zugeben, dass sie ihm so offensichtlich gefiel. Als Jugendliche war sie immer schlaksig gewesen, mit langen dünnen Beinen, ohne Hüften und noch dazu hin und wieder von Akne geplagt. Erst in der achten oder neunten Klasse hatte sie überhaupt einen BH gebraucht. Ihr Körper hatte sich während ihres letzten Schuljahres allmählich verändert, was sie damals hauptsächlich gehemmt und unsicher machte. Selbst jetzt noch sah sie, wenn sie sich im Spiegel begutachtete, manch mal die Halbwüchsige in sich, die sie früher gewesen war, und es erstaunte sie, dass sonst niemand das bemerkte.
So schmeichelhaft Lukes Anerkennung jedoch auch war, am meisten sprach Sophia seine Art an – von der Unerschütterlichkeit, mit der er Brian behandelt hatte, bis hin zu ihrer lockeren Unterhaltung. Durch seine stille Selbst beherrschung wirkte er völlig anders als die Männer, die sie im College kannte – besonders anders als Brian.
Als ebenfalls angenehm empfand sie, dass es ihm nichts ausmachte, sie mit ihren Gedanken allein zu lassen. Viele Menschen hatten das Bedürfnis, jede Gesprächspause zu füllen, aber Luke sah gerade nur den Bullen zu und schwieg. Nach einer Weile fiel ihr auf, dass aus der Scheune keine Musik mehr zu hören war. Bestimmt machte die Band eine kurze Pause, und Sophia überlegte, ob Marcia sie wohl suchen würde. Sie hoffte, dass es nicht so war, zumindest noch nicht.
»Wie lebt es sich auf einer Ranch?«, fragte sie in die Stille hinein. »Was machst du so den ganzen Tag?«
Luke schlug ein Bein über das andere, die Stiefelspitze bohrte sich in die Erde. »Eigentlich von allem ein bisschen. Es gibt immer etwas zu tun.«
»Zum Beispiel?«
Geistesabwesend knetete er seine Hände. »Also, morgens früh müssen als Erstes die Pferde, Schweine und Hühner gefüttert und die Ställe ausgemistet werden. Dann muss ich nach der Rinderherde sehen, ob die Tiere fit sind – keine Augeninfektionen, keine Wunden vom Stacheldraht, solche Dinge. Wenn ein Tier verletzt oder krank ist, versuche ich, mich gleich darum zu kümmern. Danach müssen Wei den bewässert werden, und ein paarmal im Jahr muss ich alle Rinder von einer Weide zur nächsten bringen, damit sie immer gutes Gras haben. Impfen muss ich die Herde ebenfalls mehrmals im Jahr, was bedeutet, ein Tier nach dem anderen mit dem Lasso einzufangen und sie hinterher voneinander zu trennen. Außerdem haben wir einen ziemlich großen Gemüsegarten für den Eigenbedarf, und den muss ich auch in Schuss halten.«
Sophia blinzelte. »Ist das alles?«, witzelte sie.
»Nicht ganz. Wir verkaufen Kürbisse, Blaubeeren, Honig und Weihnachtsbäume, weshalb ich manchmal einen Teil des Tages damit
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