(K)ein Rockstar für eine Nacht: Wenn Fanliebe weiter geht... (German Edition)
greifen. Im Bruchteil einer Sekunde kam ich ihm zuvor, faltete den Brief zusammen und steckte diesen in meine Bluse. „Bitte geh einfach!“, konnte ich dem Druck nicht mehr standhalten und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich erwartete, dass er wütend auffahren würde, doch er sah mich nur an wie eine Fremde.
Als ich noch etwas sagen wollte, hob er seine Hand und schüttelte den Kopf. Ich verstand, dass er nichts mehr hören wollte und schwieg.
Einen kurzen Augenblick sah er mich fragend an, doch dann machte er kehrt in Richtung Schlafzimmer. Ich wollte nachlaufen, doch da kam er wieder, mit seinen restlichen Klamotten in den Armen und verließ schweigend die Wohnung.
Wieder war ich alleine.
Die nächsten Stunden erlebte ich, wie paralysiert und alles schien so surreal, dass ich sogar anfing zu putzen. Ein unangenehmes Stechen auf der empfindlichen Haut meiner Brust ließ meine Erinnerungen wie ein Blitzschlag aufflammen. Meine Hand griff wie ferngesteuert nach dem noch immer in meiner Bluse versteckten Brief. „So Peter, du hast, was du wolltest, aber alles bekommst du nicht!“, war ich wieder da und zischte zerknirscht los. Erschrocken starrte ich auf meiner zur Faust geballten Hand, in welcher ich den Brief zusammengedrückt hielt, und eilte geistesgegenwärtig zu meinem Telefon, um meinen Anwalt anzurufen.
~20~
Es waren bereits drei endlos, lange Wochen vergangen, seit ich Ville das letzte Mal gesehen hatte. Egal wie oft ich versucht hatte seinen schmerzlichen Gesichtsausdruck zu vergessen, wollte es mir einfach nicht gelingen. Und mein Telefonat mit dem Scheidungsanwalt war alles andere als rosig gewesen. Ich versuchte mich ihm gegenüber zu erklären, doch egal wie sehr ich versuchte meine Stellung zu verteidigen, schmetterte er mir negative Assoziationen entgegen, welche so erdrückend waren, dass mir schlecht wurde. Mein Leben wäre bis dato so viel leichter gewesen, hätte Ville nicht unmittelbar nach seiner Abreise ein Statement über sein Management abgegeben. In diesem hieß es, ich habe ihn in betrügerischer Absicht hintergangen, nur um eine gewisse Berühmtheit zu erlangen. Es brach mir das Herz, wahrscheinlich mehr, wie ich Villes gebrochen hatte, und fragte mich verzweifelt: „Habe ich das verdient?“ Innerlich fühlte ich mich zerrissen, zwischen Schuldgefühlen und Verletztheit. Die Schuldzuweisungen nahmen auch nicht ab, was ich alleine in meiner näheren Umgebung mitbekommen und am eigenen Leib verspüren musste.
Nur einen Tag, nachdem das Statement herausgekommen war, erhielt ich über Twitter und Facebook Hasstiraden und was noch schlimmer war, unmoralische Angebote. Ein sechzehn Jahre junges Mädchen aus meiner Straße schrieb über Facebook „Hey Bitch ich weiß, wo du wohnst! Ich erschieße dich!“ Ein mitte Vierzigjähriger hingegen übermittelte mir über meinen Facebook-Briefkasten ein eindeutiges und nicht zu verwechselndes Angebot „Hallo Susanna du geiles Stück, lass mich in einen Hinterhof eintreten! Na du kleine geile Sau bist du schon feucht in deiner Ritze?“ Es widerte mich geradezu an, dass ich alle Nachrichten in meinem Briefkasten und auf meiner Pinnwand melden wollte, doch hatte sich auch eine Woche danach noch nichts getan. Enttäuscht und verletzt beschloss ich meine Accounts zu löschen und vermied es einen Nutzen aus dem Internet zu nehmen. Einige schienen das mitbekommen zu haben und schmierten mit Spraydosen mein Auto voll, auf welchem „Bitch“ in Großbuchstaben geschrieben war. In dieser Zeit entglitt mir alles und ich glaubte, meine Füße unter dem Boden zu verlieren. Der einzige Halt, den ich in dieser schrecklichen Zeit hatte, war meine Mutter, welche immer und immer wieder versuchte, mich aufzufangen und seelisch aufzubauen.
Gerade, als ich glaubte wieder Luft zum Atmen zu bekommen, brachte der Postbote die Tageszeitung, auf welcher ein Foto von mir abgebildet war, wie Ville aus einer Limousine stieg und auf meine Wohnung zu lief. Als Schlagzeile stand darüber: „Ville Lenjo, von einem Groupie betrogen!“ „Groupie …“, wie lange war dieses Wort aus meinem Wortschatz verbannt gewesen, doch zu meinem Bedauern war es in mein Unterbewusstsein zurückgeschlichen. Diese Wochen haben so einiges von meinen Nerven abverlangt, dennoch rappelte ich mich wieder auf und half weiterhin meiner Mutter in ihrem Laden aus.
„Hallo Süße, wärest du so lieb und bringst mir vom Bäcker ein paar Brötchen mit?“, waren die ersten Worte
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