Kein Schatten ohne Licht
Sätze von sich geben wollte, deshalb hob sie die Hand, schluckte.
Genau aus diesem Grund hatte sie dem Zirkel nicht beitreten wollen. Hätte diese ganze Beschwörungssache ihr nicht alle Kraft geraubt, hätte sie sich viel dauerhafter gegen Tizians und Yvonnes Flehen, sich doch dem Zirkel anzuschließen, gewehrt. Melica hasste Verpflichtungen, Erwartungen und Ansprüche. Sie hätte eine fantastische Politikerin abgegeben.
Nachdenklich musterte sie den dunklen Mann. Es wunderte sie nicht im Geringsten, dass Jane ihm zutiefst misstraute. Ihre Mutter hatte schon immer recht rassistische Züge besessen und dieser Timon... nun, Melica hatte noch nie einen Mann getroffen, dessen Haut auch nur annähernd so dunkel war wie die des Dämons. Dass er zudem noch die meiste Zeit mit rotglühenden Augen durch die Gegend starren musste, hatte wahrscheinlich auch kein sonderlich großes Vertrauen in Jane hervorgerufen.
Dabei stellte Melica fest, dass Timon im Grunde genommen sogar ein bemerkenswert hübscher Mann war. Erstaunlich, dass Jane dies gar nicht aufgefallen war, denn sonst hätte sie ihn mit Sicherheit nicht gefesselt. Wider Willen musste Melica grinsen. Nun ja... zumindest hätte sie es aus einem anderen Grund getan.
„ Melica?“ Yvonnes fragende Stimme riss die junge Schattenkriegerin aus ihren Gedanken, die sowohl interessant als auch unfassbar verstörend waren. „Wir brauchen endlich deine Entscheidung.“
Melica seufzte schwer. „Timon, hast du Diana und Damian jemals kennengelernt?“
Der verwunderte Blick des Afrikaners war nicht der einzige, den Melica auf sich gerichtet fühlte. Sie schwieg jedoch eisern, wartete geduldig auf Timons Antwort.
Die ließ nicht lange auf sich warten. „Ja. Ich habe sie im noch letzten Jahr auf einer Versammlung getroffen.“
„ Was hältst du von Damian?“
„ Ich mochte den Mann. Es ist schade, dass du ihn umgebracht hast“, erklärte Timon ohne zu zögern.
„ Gut.“ Melica nickte knapp. Sie verzichtete darauf, zu erwähnen, dass eigentlich Zane es gewesen war, der das Oberhaupt der Sarcones geköpft hatte. Stattdessen drehte sie sich in Richtung Tür und schritt darauf zu.
„ Der Kerl ist in Ordnung. Ihr könnt ihn mitnehmen.“ Sekunden später war sie aus der Tür verschwunden. Sie lächelte schwach. So wie es aussah, konnte sie sogar noch einen beeindruckenden Abgang hinlegen, wenn das Ende der Welt an ihrer Tür pochte. Wenigstens das war ihr geblieben.
~*~
Seit ihrer Ankunft im Antrum waren nun schon fast drei Stunden vergangen, doch Melica konnte noch immer nicht verstehen, warum Gregor sich geweigert hatte, gemeinsam mit ihnen zurückzufahren. Stattdessen hatte er Timon, Yvonne, Renate und sie ins Auto gesetzt und Isak befohlen, sie zurück ins Hauptquartier zu bringen. Dieser war aus irgendeinem Grund richtig wütend gewesen. Natürlich hatte er nicht protestiert, schließlich war Gregor so eine Art Gott für ihn und jeder seiner Befehle so etwas wie eines der Zehn Gebote, aber... dennoch. Seine Finger hatten das Lenkrad so fest umklammert, dass seine Knöchel noch immer weiß hervortraten und seine Zähne hatte er fest zusammengebissen.
Für Melica, die ihn bis zu diesem Zeitpunkt nur als fast ekelerregend freundlichen, gut gelaunten Vorzeigedämon kennengelernt hatte, war diese Seite an ihm völlig neu gewesen. Der Gedanke daran, dass Isak einmal zu den Sarcones gehört hatte, dass er sich freiwillig den Bösen angeschlossen hatte, kam ihr nun nur noch halb so abwegig vor. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was ihn so dermaßen in Rage versetzte – es schien irgendetwas mit Timon zu tun zu haben.
Und gerade dies konnte sie kaum nachvollziehen, denn im Gegensatz zu ihrem Onkel fand sie den Nayiga auf Anhieb sympathisch. Er erinnerte sie an sich selbst, war selbstbewusst und kindisch.
Und hartnäckig war er wohl auch, denn wie sonst ließe sich erklären, dass er schon seit Stunden hier mit ihr in der Bibliothek saß und sein Bestes gab, um ihr unzählige Informationen über das Antrum und die Schattenkrieger zu entlocken?
Es kam jedoch der Moment im Leben eines jeden Wesens, an dem es erkennen musste, dass auch sein Bestes manchmal einfach nicht gut genug war. Und Melica war wirklich stolz darauf, diejenige zu sein, die Timon diese Lektion des Lebens lehren durfte.
„ Antwortest du mir nicht, weil ich schwarz bin oder hast du grundsätzlich etwas gegen mich?“, fragte Timon schließlich und stützte sich müde auf seinen Oberschenkeln
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