Kein Schatten ohne Licht
Lockenkopf schnell. „Doch es stimmt. Luzius muss es irgendwie gelungen sein, deine Gefühle für Zane für sich selbst zu nutzen.“
Der Dunkle hieß also Zane. Ein Gefühl der Vertrautheit stieg in ihr auf, ließ sie automatisch lächeln. Und genauso automatisch das Gesicht verziehen. Sie glaubte dem Lockenkopf und glaubte ihm gleichzeitig nicht. Es war so, als schlugen mit einem Mal zwei Herzen in ihrer Brust!
„ Ich kann euch trotzdem nicht helfen“, sagte sie und klang dabei entschlossener als sie sich fühlte.
Zane stieß ein ärgerliches Schnauben aus. „Jetzt denk doch einmal nach, Hexe! Wenn wir ihn nicht töten, tötet er uns! Er oder wir! Wir haben gar keine Wahl!“
„ Ihr könnt Luzius gar nicht umbringen. Er ist unsterblich“, sagte sie.
„ Ja? Ist er das?“, fragte Zane kühl. „Ich glaube nicht. Niemand kann ewig leben. Es wird einen Weg geben. Und ich bin davon überzeugt, dass du von diesem Weg weißt.“
Oh. Er war gut. Zu gut. Melica zuckte ertappt zusammen. Natürlich wusste sie davon. Schließlich vertraute ihr Luzius. Er hatte mit Sicherheit keinen Gedanken daran verschwendet, dass sie ihn verraten könnte. Warum auch? Dank seiner geschickten Manipulation hatte sie gar keinen Grund gehabt, sich gegen ihn aufzulehnen. „Luzius kann von niemandem umgebracht werden“, sagte sie. „Wirklich nicht.“
Während Zane sie eher ungläubig anblickte, legte Lockenkopf nachdenklich den Kopf schief. „Aber er kann sich selbst umbringen, oder?“, fragte er nach einigen Sekunden des Schweigens.
Wenn Tizian die Wahrheit erzählt hatte und diese beiden Männer dort wirklich Schattenkrieger waren, dann hatte Luzius ein nicht von der Hand zuweisendes Problem. Sie waren wirklich gut, in dem, was sie taten. Melica nickte. „Ja. Doch das wird er niemals tun. Luzius ist zutiefst gläubig. Er würde niemals Suizid begehen.“
Kaum zu glauben, in was für eine fantastische Lügnerin Luzius sie doch verwandelt hatte... Ihr waren die Worte wie von selbst von der Zunge geglitten. Dabei war sie sich doch noch nicht einmal sicher, ob Lügen das war, was sie wirklich tun wollte! Sie fühlte sich innerlich zerrissen. Auf der einen Seite waren da diese Schattenkrieger, die behaupteten, Luzius wäre der Böse, doch auf der anderen Seite war da Luzius, der zwar zugab, böse zu sein, aber gleichzeitig auch behauptete, dass die Schattenkrieger noch viel böser waren! Melica wollte keine Entscheidung treffen, sie konnte keine Entscheidung treffen! Sie schüttelte langsam den Kopf. Herz oder Verstand – eines der beiden Dinge war dabei, sie zu belügen. Sie wusste nur nicht, was es war.
„ Warum wollt ihr Luzius überhaupt umbringen?“, fragte sie. Vielleicht musste sie ja einfach nur versuchen, diplomatisch an die Sache heranzugehen. „Er hat euch doch nichts getan!“
„ Reicht es nicht, dass er tagtäglich über zwanzig Menschen aus ihren Leben reißt?“, begann Lockenkopf wütend. „Dass er erst damit aufhört, wenn es keine Menschen mehr auf diesem Planeten gibt? Dass er der Teufel persönlich ist? Dass er unseren Freund Tizian entführt hat? Dass er dich gefangen hält und dich zu einer fast willenlosen Marionette gemacht hat? Dass er dich missbraucht hat? Dass-“
Alles geschah im Bruchteil einer Sekunde. Lockenkopf konnte seine Aufzählung nicht beenden, da veränderte sich mit einem Mal etwas im Raum. Melica sah nur einen kurzen Schatten im rechten Augenwinkel, doch im Gegensatz zu den anderen beiden wusste sie sofort, was dieser zu bedeuten hatte.
Solange die Schattenkrieger es noch nicht verstanden hatten, solange Luzius noch damit beschäftigt war, sich zu orientieren, hatte sie noch Zeit zum Handeln. Und Melica zögerte keine weitere Sekunde, stürmte blitzartig auf Lockenkopf zu, mit dem Messer in der Hand. Sie betete, dass nichts schief ging, hoffte, dass ihr Plan gelang.
Das Schicksal der gottverdammten Menschheit lag in ihren Händen! Wortwörtlich. Ohne zu zögern rammte Melica Lockenkopf den Messergriff in die Hand, riss seinen Arm nach vorne und schlüpfte unter ihm hindurch. Dann presste sie seinen Arm fest um ihren Hals, darauf bedacht, das Messer so weit von ihrer Haut entfernt zu halten, dass sie sich nicht verletzte und doch nah genug, damit es echt aussah.
Das markerschütternde Brüllen, das nur wenige Sekunden später an ihre Ohren drang, war der Beweis dafür, dass es echt genug aussah.
Zumal auch Lockenkopf endlich verstanden hatte, was Sache war und das Messer nun
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