Kein Schwein bringt mich um
Produktion hochprozentiger Spirituosen einsteigen würden, aber da gab es im Münsterland genügend Profis, als dass noch ein Nannen mitmischen musste.
Frauke residierte in einem Jugendstilbau mit Rosenornamenten in der Nähe des Krippenmuseums. Auf mein Klingeln ertönte sofort der Summer. Treppenkraxeln fiel dieses Mal aus, da die Gute im Erdgeschoss wohnte.
»Schön, dass Sie endlich da sind.« Ein Paketstapel wurde mir in die Knochen gedrückt. »Die müssen pronto on the road , mein Jutster.«
»Was soll ich damit?« Ich fühlte mich etwas überrumpelt.
»Na, wat wohl? Abtransportieren! Ihnen fehlt es an Attitüde«, meckerte die Dame und schob mich sanft, aber bestimmt Richtung Ausgang.
»Ich bin kein Paketbote. Nannen, Privatdetektiv«, quetschte ich durch die Zähne, weil mir der Paketstapel fast die Luft abschnürte.
»Oh, ich dachte, Sie wären der UPS -Typ.« Schwuppdiwupp wurden mir die Kartons aus der Hand gerissen und auf den Boden gestellt. Endlich hatte ich Gelegenheit, mein Gegenüber zu beäugen, eine Dame Mitte vierzig mit hochtoupierten roten Haaren.
»Wie ein Paketbote sehen Sie wirklich nicht aus, wa. Aber was will ein Detektiv von mir? Na, kommen Se ma rin.«
Die Wohnung wirkte wie ein Versandhandellager. In den Wandregalen im Flur stapelten sich Kartons. An den Wänden hingen Poster von Kramszik, eines davon in LebensgröÃe. Im Wohnzimmer fanden sich auf dem massiven Eichenholztisch weitere Fanartikel des Schlagerbarden. Besonders gelungen fand ich die Kuckucksuhr, die gerade Alarm schlug. Das Vögelchen, das seinen Schnabel ins Freie steckte, trug Christians Antlitz. Wer um alles in der Welt kaufte so einen Müll?
»Sind Sie auf der Suche nach Kramszik-Devotionalien?«, missinterpretierte die Wiemers meinen Blick. »Die Boxershorts, die Christian bei der GroÃen Schlagerparade â89 am Hamburger Jungfernstieg getragen hat, haben wir gerade nachproduziert. Diese endschicken Dessouskreationen kosten schmale fünfundsiebzig Euro. Falls Sie Mitglied im Fanclub sind, gibt es zwanzig Prozent Nachlass. Soll ich sie in Geschenkpapier einpacken?«
Die Frau war gewiefter als jeder ägyptische Basarverkäufer.
»Ich bin beruflich hier.«
»Ah?«
»Ich ermittle im Auftrag von Christians Exfrau Luna Mancini. Sie wird seit Wochen massiv bedroht, und gestern Abend wurde sogar ein Mordanschlag auf sie verübt.«
Schallendes Gelächter: »Sie verdächtigen doch nicht etwa den guten Chris? Nee, wat komisch. Christian ist zwar in mancher Hinsicht ein bisschen verpeilt, aber doch nicht gewalttätig.«
»Sorry, einen Kaffee?«, fragte ich, und schwups, hielt ich das Getränk in der Hand. Die Frau war ein wahres Energiebündel.
Ihr Handy läutete, sie blickte kurz aufs Display und sagte entschuldigend: »Mannheim, da muss ich drangehen.« Zum Telefonieren drehte sie mir den Rücken zu.
»Ja, Elsbeth. Klappt der Fantreff nach dem Konzert im âºSchwabenstübleâ¹? Nee, Kinners. So kann ich nicht arbeiten. Das war doch schon gebongt. Menno, Chris ist Künstler. So ein Kuddelmuddel bringt den voll depri drauf.«
Dann kam Elsbeth zu Wort. Schien Frauke zufriedenzustellen, denn sie sagte: »SüÃe, wenn wir dich nicht hätten. Auf âºCharlys Eckâ¹ wäre ich im Leben nicht gekommen. Der Chris, der springt im Dreieck vor Freude, wa? Herzchen, beim Konzert machen wir richtig einen drauf. Dat schwör ich dir nackend in die Hand. Tschüssing.«
»Sie haben ganz schön viel um die Ohren«, stellte ich fest.
»Das sach ich Ihnen«, stöhnte sie in gespielter Theatralik. »Von dieser Butze aus koordiniere ich die Fanclub-Aktivitäten von ganz Europa. Das ist ein Fulltime-Job. Nebenher arbeite ich als Taxifahrerin.«
»Europa?«
»Eigentlich nur Deutschland«, korrigierte sie sich und grinste verschmitzt. »Aber Klappern gehört zum Handwerk, und Europa klingt einfach geil, wa?«
»Kommen Sie aus Berlin?«, fragte ich, um meine Dialektkenntnisse zu testen.
»Nee, Jungchen, aus Oldenburg. Dat Berlinerische habe ich mir vom Fernsehen abgeguckt. Klingt cool, und keiner checkt, dass ich ein Nordlicht bin. Aber Sie sind eine ganz schöne Sabbeltasche. Jetzt ham Se mich doch glatt von Christian abgelenkt. Der tut keiner Fliege was, der Jutste. Mensch, der ist froh, wenn man ihn leben lässt. Super Typ,
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