Kein Schwein bringt mich um
Sie müssen nicht jedes Mal persönlich vorsprechen«, blökte er und steckte sich einen Kaugummi zwischen die Kiemen.
»Auf Frau Mancini ist ein weiterer Anschlag verübt worden. Sie ist nur knapp mit dem Leben davongekommen. Wo waren Sie gestern Abend zwischen sechs und elf?«
Einer der Brefrostis kam zurück. Eine Menge Muskeln auf einem Meter neunzig Länge. Die dunklen Locken waren zu einem Zopf zusammengebunden. Das linke Augenlid hing auf halbmast. Die Tätowierung auf der Stirn wies ihn als sensiblen Künstlertypen aus.
»Macht der Kollege hier Probleme, Cheffe?«, brummte er und spuckte einen gelben Flatschen auf den Boden. Mit »Kollege« war ich wohl gemeint.
»Nein, nein, schon gut, Carlo. Geh in Feierabend.«
»Zickezacke, Cheffe.« Der Schrank trollte sich von dannen. Ich atmete tief durch.
»Sie können mir nichts anhängen, Nannen. Gestern war ich mit meinem Sohn zum âºDeutschland sucht den Superstarâ¹-Casting in Köln. War aber der letzte Nepp. So eine komische Agentur, die für fünfhundert Euro ein Passfoto schieÃt, das anschlieÃend in den Abfall wandert. Clemens durfte eine halbe Strophe des âºHolzmichlâ¹ singen, dann hatten die Typen genug. Ich wäre da nie hingefahren, aber Clemens hatte so gebettelt, und für meine Familie tue ich bekanntlich alles. Sogar fünf Scheine verbrennen, denn diese Agentur hatte mit RTL so viel gemein wie der Dalai-Lama mit Gaddafi.«
»Eine nette Geschichte. Gibt es Zeugen?«
»Hier.« Er schleuderte mir eine verknickte Visitenkarte vor die FüÃe. »Superstar Search â Marwin Kaschnitzki«, prangte in blassen Lettern auf dem Papier, daneben eine Gelsenkirchener Nummer. Auf der Rückseite Werbung von Vistaprint. ÃuÃerst professionell.
»Dann will ich mal diesen Kaschnitzki anrufen. Vielleicht verschafft er mir einen Job als Sänger bei Metallica.«
Just als ich mein Handy aus der Tasche zog, dudelte es »Hey Joe«. Grabowski.
»Pedder, was gibt es?«
Mein Freund sagte nichts, daher fragte ich noch mal nach: »Peter, bist du es?«
Nur Wimmern am anderen Ende der Leitung, dann eine leise Stimme: »Dieter, ich habe mein Bestes gegeben. Leider war es nicht gut genug.« Jetzt heulte Gurkennase wie ein Schlosshund.
»Was ist passiert?«
»Luna, mein Gott. Wie konnte ich so versagen? Verflucht sei der Tag, als Gott mich auf diese beschissene Erde geschmissen hat«, konnte ich zwischen den Schluchzattacken heraushören.
»Luna ist tot?«, fragte ich entgeistert. »Wie konnte das passieren?«
»Ich war nur fünf Minuten weg, ich schwöre. Oh, ich muss Schluss machen, der Reichert will mich vernehmen.«
»Wieso hast du sie allein gelassen?«, schrie ich in den Hörer. So richtig fassen konnte ich das Unglück noch immer nicht.
»Das Bier war alle. Ich war nur fünf Minuten weg, Dieter. Höchstens zehn.«
»Peter, wir müssen deine Aussage jetzt zu Protokoll nehmen«, vernahm ich Ludgers Stimme im Hintergrund.
Grabowski schluchzte herzzerreiÃend und legte auf.
Gut zu Vögeln
Bredenbach fällt also auch als Verdächtiger flach, dachte ich als Erstes, nachdem ich das Gespräch weggeklickt hatte.
»Viel Erfolg für Ihren Sohnemann auf seinem Weg zum Superstar«, verabschiedete ich mich vom Tiefkühlkostunternehmer und enterte den Escort. Dort sammelte ich mich erst mal.
So eine ScheiÃe. Ich konnte zwar nicht behaupten, dass ich groÃe Sympathien für die Schlagerdiva hegte, aber ihr Tod berührte mich. Sie war der Prototyp eines Stars, dessen Erinnerungen an gute Zeiten im Gedächtnis vergilbten. Dies war tragisch genug, aber Luna Mancini hatte man noch Psychoterror, Anschläge und Ermordung obendrauf gepackt.
Insgeheim war ich froh, nur ein unbedeutendes Lichtlein im Universum zu sein. Ich hatte mir zwar in und um Buldern als Privatdetektiv einen respektablen Namen gemacht, aber mein Ego war nicht so aufgeblasen, dass ich die Narben eines möglichen Absturzes mit Wodka heilen musste.
Die einzige Sorge, die mich momentan umtrieb, war mein Verhältnis zu Karin Schumann, das unbestritten gelitten hatte. Karin war die Liebe meines Lebens, ganz anders als meine Beziehung zu Bettina Klimke, die eher auf Vernunft basiert hatte. Aber trotzdem war es einfach zu viel verlangt, mir nichts, dir nichts vom Detektiv zum Vollzeitorganisten
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