Kein Sex ist auch keine Loesung
fühle mich, als hätte ein Lastwagen mein Bett überrollt. Normalerweise gehört schlafloses Hin-und-her-Wälzen
nicht zu meinen nächtlichen Beschäftigungen. Auch dann nicht – das muss ich an dieser Stelle ehrlicherweise zugeben –, wenn mich etwas emotional aufwühlt. Verdrängen – eine der größten männlichen Tugenden – funktioniert in den seltenen Fällen
gefühlsmäßigen Aufruhrs auch bei mir ausgesprochen gut. Deshalb kann das lange Gespräch, das Rolf und ich gestern nach dem
Meeting noch geführt haben, wohl kaum die Ursache für meine ruhelose Nacht gewesen sein.
«Da dies ein Gespräch unter Männern ist, will ich gleich zur Sache kommen», begann er so locker, als würde er mir im Folgenden
die Hausaufgaben für die kommende Woche diktieren. «Die Agentur ist pleite. Jedenfalls so gut wie. Ein paar Monate kriegen
wir mit den kleineren Aufträgen noch rum, aber im Januar muss ich spätestens die ersten Leute entlassen.»
Dabei schaute Rolf angestrengt über seine Brille direkt an mir vorbei aus dem Fenster. «Dieser Pudding-Etat wäre unsere Rettung»,
fuhr er mit unverändertem Blick fort. «Er sichert nicht nur das Überleben der Agentur für mindestens ein weiteres Jahr, er
ist auch noch derart imageträchtig, dass wir danach auf Neugeschäft in etwa derselben Größenordnung hoffen können.»
|44| Hatte Klaus, die blöde Kuh, also doch richtig gehört. Ein bisschen erschüttert war ich zugegebenermaßen schon, vor allem,
weil ich irgendwann merkte, wie schwer es Rolf fiel, die Hiobsbotschaft kundzutun. Warum er allerdings überhaupt damit rausrückte,
wurde mir klar, als er fortfuhr.
«Außerdem nehme ich mal an, dass es sich inzwischen herumgesprochen hat, dass es in meiner Ehe nicht zum Besten steht.»
Dabei blickte er mir dann mit einem gequälten Lächeln direkt in die Augen, und ich war froh, dass Klaus mich wenigstens von
dieser Klatschblattinformation verschont hatte und ich Rolfs Blick daher fest und ehrlich erstaunt erwidern konnte. Überrascht
war ich allerdings weniger über die Tatsache, dass es bei dem Arbeitspensum in seiner Ehe nun zum offenen Eklat gekommen ist,
sondern vielmehr darüber, warum er ausgerechnet mir davon erzählte. Ich war an Neuigkeiten dieser Art weder interessiert,
noch fühlte ich mich in der Lage, hier konstruktiv an einer Lösung mitwirken zu können.
«Du wirst dich sicher wundern, warum ich ausgerechnet dich damit belästige», schien Rolf meine Gedanken gelesen zu haben.
«Es ist nämlich so», holte er schwermütig zu einer Erklärung aus, «meine Frau und ich haben bereits vor einem Dreivierteljahr
eine romantische Kreuzfahrt mit anschließendem Aufenthalt in einem Luxushotel gebucht. Und es würde das endgültige Aus meiner
2 2-jährigen Ehe bedeuten, falls ich auch nur andeuten sollte, die Reise müsse eventuell ohne uns stattfinden.»
Für einen Moment konnte ich nicht glauben, was ich da hörte. 14 Leute standen kurz davor, ihren Arbeitsplatz zu |45| verlieren, und Rolf machte einen auf Donaudampfschifffahrtskapitän. Was für Aussichten!
«Deshalb …» Irgendwie ahnte ich Fürchterliches auf mich zukommen. «… möchte ich, dass du die Präsentation in München übernimmst. Allein. Alles wird perfekt vorbereitet sein, und labern kannst
du ja bekanntlich. Also, wäre das in Ordnung für dich?»
Na, herzlichen Glückwunsch. Schlimmer hätte es ja wohl nicht kommen können. Denn am Ende, wenn alles schiefginge, wäre ich
der Idiot und schuld daran, dass 14 Leute, ein Chef und ein herrenloser Hund meinetwegen ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Eine albtraumhafte Vorstellung.
Ich wollte diesen hinterhältigen Vorschlag auf keinen Fall auch nur in Erwägung ziehen.
«Ich sehe einen neuen Firmenwagen und eine Gehaltserhöhung», hörte ich mich stattdessen sagen.
Ich würde das jetzt nicht käuflich nennen, vielleicht höchstens renditeorientiert. Schließlich hatte ich ja auch keine Wahl.
Entweder zerstöre ich eine Ehe oder eine Firma. Und dann kam mir noch der grausamste Gedanke: Was wäre, wenn Rolf – im Falle
meiner Absage – Marc oder einen anderen Kollegen, womöglich sogar eine Kollegin, fragte? Dann würde ich meinen Arbeitsplatz verlieren, weil
ein anderer Idiot das Geschäft vermasselt? Oder noch schlimmer: Marc würde seine Sache gut machen, und schlussendlich bekäme
er den Firmenwagen. Da schicke ich doch lieber 14 Kollegen zum Arbeitsamt. Aber das
Weitere Kostenlose Bücher