Kein Sex ist auch keine Loesung
gemeinter freundlicher Stimme erkundigt: «Herr Antonio, was können
Sie uns denn heute empfehlen?»
Antonio hechtet daraufhin sofort los und trabt kurz darauf mit einer handgeschriebenen Tafel wieder an, von der er uns die
Tagesempfehlungen vorliest. Lydia stellt ein paar italienische Zwischenfragen, die in meinen Ohren nicht nur perfekt klingen,
sondern mir auch eine kurze Verschnaufpause verschaffen, da sie zum Gestikulieren beide Hände braucht. Nachdem die beiden
für jeden von uns ein Gericht ausgesucht haben, greift Lydia unter dem Tisch wieder zu und über dem Tisch das Thema wieder
auf.
«Also, dann haben Sie ja noch gar nichts von dieser wunderbaren Stadt gesehen, Herr Moreno. Vielleicht mögen Sie heute Abend
eine kleine Führung genießen?»
Ich glaube zu wissen, dass bei einigen Tierarten die Weibchen noch ein wenig mit den Männchen spielen, bevor sie diese auffressen.
«Sie sollten das Angebot unbedingt annehmen», mischt sich nun auch der dumpfe Urs ungewohnt lebhaft in die Unterhaltung ein
und wirkt dabei wie der Moderator einer Dauerwerbesendung, der die Zuschauer vom Kauf einer technisch längst überholten Digitalkamera
überzeugen möchte.
«Meine Frau ist nämlich eine leidenschaftliche Fremdenführerin und kennt so ziemlich alle Geheimtipps.»
Leidenschaftlich, o jaja, ich weiß. Ob das ein Trick ist? Macht einen auf Valium-Junkie und will mich aber in Wirklichkeit
auf die Probe stellen? Hm. Wohl kaum. Denn obwohl ich mir unschwer vorstellen kann, dass er abends heimlich Pornofilme guckt,
im Supermarkt Preisschilder |128| vertauscht und sicher auch mal verschweigt, wenn er zu viel Wechselgeld zurückbekommt, scheint er mir für arglistige Täuschungsmanöver
nicht wirklich disponiert zu sein.
Ich beschließe dennoch, die Probe aufs Exempel zu machen.
«Es wäre mir natürlich eine Ehre, wenn Sie uns dabei Gesellschaft leisten würden, Herr Cremand.»
Jetzt bin ich aber mal gespannt.
«Oh», piepst er, überrascht wie ein Sittich, der versehentlich zum zweiten Mal am Tag gefüttert wurde, «nehmen Sie es mir
nicht übel, aber ich bin leider schon anderweitig verplant. Außerdem würde ich Sie nur langweilen.» Damit sackt er wieder
in sich zusammen, gibt aber mit letzter Kraft noch von sich: «Das findet jedenfalls meine Frau.»
Was soll man nun dazu sagen?
Madame sagt schon mal Folgendes: «Ursi, du kannst manchmal wirklich ein echter Spaßverderber sein. Sei froh, dass wenigstens
deine Frau so nett ist, sich um unsere Gäste zu kümmern.»
Sie bedenkt erst Lydia und dann mich mit einem warmen Lächeln, ehe sie sich dankend Antonio zuwendet, der nun auch noch höchstpersönlich
und mit viel italienischem Tamtam das Essen serviert.
«Dann also heute Abend. Wo wohnen Sie?»
Lydia blinzelt mich mit listigem Augenaufschlag über ihre dampfenden Spaghetti hinweg an.
Haha. Als wenn sie das nicht schon längst wüsste. Schließlich scheint sie auf unser Zusammentreffen eindeutig vorbereitet
gewesen zu sein.
|129| «Äh, Bayerischer Hof. Also, direkt dahinter.»
Ein Kontrollblick zu ihrem Mann signalisiert mir: Von hier besteht keine Gefahr. Er befindet sich bereits eine Evolutionsstufe
weiter, konzentriert darauf, ein Hackbällchen so lange durch die Soße zu rollen, bis es von allen Seiten gleichmäßig benetzt
ist. Dann zerteilt er den Klumpen genüsslich in gleich große Stücke.
Ich muss gestehen, ich halte es für unklug, ins Fadenkreuz einer Ehe zu geraten, in der wenigstens einer der Partner vor Gericht
für unzurechnungsfähig befunden und auf freien Fuß gesetzt würde, falls man ihm eine Gräueltat im Affekt nachweisen könnte.
Dafür allerdings auch noch mit einem Millionenetat zu bezahlen wäre geradezu tollwütig.
Jedenfalls erscheint es mir äußerst unwahrscheinlich, dass Lydia, nach allem, was sie mir heute schon geboten hat, den Abend
tatsächlich damit verbringen will, mir eine Führung durch die Altstadt zu spendieren. Zumal mich München, ehrlich gesagt,
weniger interessiert als die Inhaltsstoffe einer Fünf-Minuten-Terrine. Ich habe auch kein erwähnenswertes Bedürfnis, Kontakt
zu Menschen aufzunehmen, die alles mit Senf essen und ihre Worte so merkwürdig aussprechen, als wären sie in einen Mixer mit
Wackelkontakt geraten.
«Prima. Dann treffe ich Sie um acht in Falk’s Bar.» Und dann fügt sie überflüssigerweise und mit süffisantem Tonfall hinzu:
«Im Bayerischen Hof – wie Sie ja sicherlich
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