Kein Sex ist auch keine Loesung
immer sehr direkt im Umgang miteinander und hatten viel Spaß zusammen.
Aber inzwischen sind nicht nur ein paar Jahre ins Land gegangen, auch die Rollenverteilung ist mittlerweile eine andere.
Wir sind keine Kommilitonen mehr, die sich den Alltag miteinander versüßen, ohne dabei Rücksicht auf Verluste nehmen zu müssen.
Heute ist Lydia nicht nur verheiratet, sondern dies auch noch mit dem Kunden, der meiner Firma den Arsch retten soll.
|133| Nicht gerade der Ausgangspunkt, den man für ungezwungenes Flirten normalerweise voraussetzt.
Außerdem bin ich immer noch ein bisschen sauer, dass Lydia so tätlich über mich hergefallen ist, schließlich war früher
ich
derjenige, der bestimmt hat, wann und wo.
«Du hast dich überhaupt nicht verändert», stellt sie dennoch fest und bedeutet dem Kellner, mir ebenfalls ein Glas Sekt zu
bringen.
«Wie lange ist das denn jetzt eigentlich her?», frage ich, immer noch unversöhnt.
«Sechs Jahre.»
Lydia schließt genüsslich die Augen, so als würde sie jede der vergangenen Nächte einzeln Revue passieren lassen.
«Also viel zu lange», schnurrt sie mir dann über dem Sektglas entgegen, sodass ich mich angstvoll umsehe.
An dieser Stelle muss ich ein weitverbreitetes Vorurteil ausräumen. Wenn ein Mann sich in einem Lokal wie ein gehetzter Fuchs
bei der Hubertusjagd umsieht, scannt er nicht, wie von Frauen irrtümlich angenommen, möglichst viele weibliche Wesen auf Sextauglichkeit
ab, sondern vergewissert sich lediglich möglicher Fluchtwege. Fangen oder gefangen werden. Jahrhundertealte Instinkte lassen
uns jede Lokalität als Erstes auf Notausgänge für mögliche Katastrophen absuchen.
Hier ein paar Beispiele für mögliche bis sehr wahrscheinlich eintretende Notfälle:
Bewaffneter Überfall mit Geiselnahme.
Versehentlicher Einschlag einer fehlgesteuerten Pershing-I I-Rakete .
Außerplanmäßiges Landen eines vollbesetzten Airbus 210.
|134| Bedrohung durch mit dem Ebola-Virus infizierte Terroristen.
Durch menschliches Versagen verursachte Erwärmung der Pole, sodass die Meere die Kontinente überschwemmen und somit auch dieses
Lokal.
Das zufällige Aufeinandertreffen von Freundin, Exfreundin, Geliebter und der eigenen Mutter.
Ich will jedenfalls nur sichergehen, dass die Fluchtwege nicht verstellt sind, falls Lydia mir gleich in den Schritt greift
und ihr unscheinbarer, aber mit Sicherheit zu allem fähiger Ehemann uns dabei beobachtet.
«Tohom, was ist denn los mit dir, du bist so abwesend?»
Sie streicht mir leicht über den Arm, sodass ich erschreckt zusammenzucke.
«Du bist doch nicht etwa sauer wegen vorhin?»
Sie scheint sich prächtig über meine Unsicherheit zu amüsieren, und ich hätte nicht übel Lust, ihr den Hals umzudrehen. Allerdings
mündet ihr Hals in ein sündhaft ausgeschnittenes Dekolleté, und auch der Rest ihres Outfits verhüllt nicht viel mehr als ein
Gästehandtuch.
Lydia registriert meinen gehetzten Blick sofort und fängt – wie zu meiner Beruhigung – ungezwungen an, über alte Zeiten zu
plaudern. Dabei erfahre ich, dass sie vor drei Jahren als Werbeleiterin zu dem Pudding-Trio gestoßen ist und nur acht Wochen
später, auf Drängen der gesamten Familie, den umnachteten Urs geheiratet hat.
Er ist der einzige Sprössling, leicht verzogen und frei von jeglichem Talent. Sein Interesse an der Firma beschränkt sich
darauf, diese eines Tages zu erben und zu Geld zu machen. Um das zu vereiteln, wünschten sich seine Eltern |135| eine tüchtige und gesunde Schwiegertochter, die nicht nur etwas vom Geschäft versteht, sondern ihnen auch eines Tages einen
würdigen Erben schenkt.
Das Kind – man hätte insgeheim gern ein Mädchen, damit es so tough und ehrgeizig wie Lydia wird – soll bei seiner Geburt 51 Prozent der Firmenanteile erhalten, die Lydia bis zu dessen Volljährigkeit verwalten wird. Bis dahin erhält sie jeden Monat,
zu ihrem ohnehin schon ganz ansehnlichen Gehalt, einen Scheck, um ihr das Zusammenleben mit Urs ein wenig zu versüßen.
Leider hat sich der gewünschte Nachwuchs noch nicht eingestellt, weil Urs bereits nach einem halben Jahr das Interesse an
Sex verloren hat. Und das bei einer so scharfen Braut wie Lydia. Für mich ebenso abwegig, als würde Hugh Hefner in Zukunft
statt des «Playboy» eine Heimtierzeitung herausbringen.
Aber Lydia nimmt es gelassen. Ihre finanzielle Zukunft ist gesichert, und die Schwiegereltern verhalten sich ihr gegenüber
ganz reizend. Nicht
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