Kein Sex ist auch keine Loesung
Werwolf zu einem
sprechen.
Die Cremands, so erfahre ich von Sky du Mont, sind französischer Abstammung und vertreiben Lebensmittel bereits in der vierten
Generation. Vom Nachkriegskolonialwarenladen bis zur Einzelhandelskette mit Niederlassungen in Deutschland, Frankreich und
der Schweiz haben sie sich hochgearbeitet. Nun, da der Senior und seine Frau das gesegnete Rentenalter erreicht haben, wollen
sie sich auf ihren Landsitz in der Camargue zurückziehen. Somit ist es an der Zeit, das Geschäft in die Hände ihres Sprösslings
Urs zu legen.
Der dümpelt gerade gedankenverloren vor sich hin, schreckt aber kurz hoch, als er seinen Namen vernimmt.
Die Neueinführung von
Courti + Sahne
soll sein Pilotprojekt werden – na, wenn das mal gutgeht!
«Leider verspätet sich unsere Schwiegertochter ein wenig.»
Madame Cremand verzieht keine Miene, als sie ihrem Mann bei dessen geschichtlichem Vortrag rüde ins Wort fällt. Dabei kratzt
ihre Stimme über den Tisch zu mir herüber, |119| sodass ich unauffällig die Glasplatte auf Schäden absuche.
«Und das ist natürlich sehr bedauerlich, denn sie steht unserem Sohn als Expertin für Marketing und Werbung beratend zur Seite.»
Mit einer schwachen Kopfbewegung deutet sie auf ihren wieder eingenickten Zögling.
Aha. Der fehlende vierte Kopf der in Stein gemeißelten Mount-Rushmore-Bagage. Bestimmt so ein Mannweib. Oder eine intellektuelle
Zicke. Die kann ich ja gar nicht ab, und meistens geht es den Frauen andersherum genauso.
Sie können es einfach nicht ertragen, sich von einem Mann mal etwas sagen zu lassen, auch dann nicht, wenn dieser Experte
auf seinem Gebiet ist. Aber da muss ich jetzt wohl irgendwie durch.
Madame informiert mich des Weiteren mit schabender Stimme über Dinge, die ich ohnehin schon weiß. Zum Beispiel, dass in ihrer
Firma bisher ausschließlich Koch- und Backzutaten hergestellt und vertrieben wurden und man sich nun, um auch in der heutigen
Zeit konkurrenzfähig zu bleiben, ein weiteres Standbein schaffen will. Deswegen braucht das Familienunternehmen ein überzeugendes
Fertigprodukt, das als Vorreiter für Folgeartikel möglichst erfolgreich in ihr Sortiment aufgenommen und dementsprechend beworben
werden soll.
Mein Magen knurrt derart laut, dass ich beschließe, mir ein paar Plätzchen zu genehmigen, damit ich bei der Präsentation nicht
wie ein Bauchredner wirke. Gerade als ich mir einen übergroßen Schokokeks komplett in den Mund stopfe (damit ich mich beim
Abbeißen nicht mit Schokolade beschmiere), öffnet sich die Tür, und eine junge, attraktive Frau mit brünettem Haar stolziert
herein.
|120| Ich weiß nicht, ob ich schon erwähnt habe, dass ich absolut professionell im Umgang mit Katastrophen apokalyptischen Ausmaßes
bin?
Was ich meine, ist Folgendes: Auch in Momenten innerer Fassungslosigkeit habe ich meine Gesichtszüge weitgehend unter Kontrolle.
Als Bundeskanzler wäre dies von größtem Nutzen, so könnte ich dem Volke in Stunden größter Not Trost und Zuversicht spenden.
Dies ist ein vergleichbarer Moment.
Allerdings: Wie gelassen kann man aussehen, wenn einem ein Keks quer im Mund steckt?
Die Brünette lächelt mir lasziv zu, setzt sich auf den freien Platz zwischen Schwiegermonster und unterbelichtetem Ehemann
und schlägt ihre langen Beine übereinander.
Mit dunkler Stimme raunt sie: «Guten Tag, ich bin Lydia Cremand, zuständig für Werbung und Marketing in unserem Haus. Und
Sie sind also Herr Moreno?»
Ich schnappe nach Luft, inhaliere eine Ladung Kekskrümel, versuche diese beim Husten nicht in die Runde zu spucken und bemühe
mich gleichzeitig, gelassen auszusehen. Und ringe mir sogar noch ein «Äh, ja. Sehr erfreut» ab, bevor ich innerlich zusammenbreche.
Eventuell wäre ein burschikoses, mir aber dafür unbekanntes Mannweib doch die glücklichere Fügung gewesen. Stattdessen aber
blicke ich in das Gesicht einer – nennen wir es mal: guten Bekannten.
Woher ich sie kenne? Na, woher wohl.
Meine mühevolle Karriere vom Kontaktassistenten zum Etatdirektor hat mich auch vor einem berufsbegleitenden Businessenglisch-Kurs
nicht zurückschrecken lassen. Dort traf ich Lydia. Hübsch, selbstbewusst und extrem ehrgeizig. |121| Wir teilten uns den Seminartisch und nach kurzer Zeit auch das Bett. Da sie mit fünf Geschwistern bei einem Vater groß geworden
war, der sein ganzes Geld dazu gebrauchte, sich den Alltag zu vernebeln, strebte sie mit aller Macht nach
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