Kein Sex ist auch keine Loesung
als Sklave der Agentur hier, und Sklaven dürfen sich keine Empfindlichkeiten
leisten. Außerdem, |124| und das hatte ich, glaube ich, schon erwähnt, ist die Bereitschaft zur Prostitution ein Einstellungskriterium in der Werbebranche.
Also simuliere ich Begeisterung und trabe brav mit den Cremands in die Tiefgarage, wo wir – artig wie beim Familienausflug
– im privaten Jaguar von Sky du Mont Platz nehmen. Mami und Papi vorn und die drei Kleinen auf der Rückbank.
Wie durch ein Wunder – oder war es Absicht? – sitzt Urs auf dem mittleren Platz zwischen mir und Lydia, weswegen ich die Fahrt
unbehelligt überstehe.
Beim Stammitaliener der Cremands habe ich leider weniger Glück bei der Platzverteilung. Während der Senior am Kopf der Tafel
Platz nimmt, sitzen Lydia und ich nebeneinander und damit gegenüber von Urs und seiner Mutter.
Mit dem unschuldigen Blick einer Würgeschlange, bereit, in Sekundenschnelle ihr Opfer zu packen, um es mit Haut und Haar zu
verspeisen, wendet Lydia sich an mich.
«Sind Sie das erste Mal in München, Herr Moreno?»
Während sie gewissenhaft ihre Serviette auf dem Schoß ausbreitet, vergisst ihre Hand nicht, dabei einen Abstecher in meinen
Schritt zu machen.
«Mpfgh.»
Ich versprühe einen Schluck Mineralwasser über Gesicht, Hals und Krawatte.
«Pardon!»
Hüstelnd beginne ich damit, mich wie einen begossenen Pudel trocken zu rubbeln. Und ehrlich gesagt, so fühle ich mich auch.
Egal, was ich jetzt antworte, die Falle wird zuschnappen, da mache ich mir wenig Illusionen. Also am |125| besten scheint es mir daher, dicht bei der Wahrheit zu bleiben, sonst übersteigt das hier schnell meinen schauspielerischen
Horizont.
«Ja, leider», sage ich schließlich, und meine Stimme überschlägt sich, als Lydias Hand es sich erneut in meinem Schoß bequem
macht. «Äh, Sie kennen das ja sicher, manche Dinge nimmt man sich fest vor, aber plötzlich kommt einem dann doch etwas dazwischen»,
quieke ich weiter und strafe Lydia mit einem bösen Seitenblick.
Was ist bloß in diese Frau gefahren? Ich habe große Lust, ihre Hand demonstrativ auf die Tischkante zu knallen und dort mit
der Gabel aufzuspießen, was aber vermutlich die sicherste Art wäre, den Etat noch vor dem Auftritt der Konkurrenz zu verwirken.
Da ist vielleicht doch was dran an der These, dass Männer nicht allzu geschickt darin sind, mehrere Dinge gleichzeitig zu
tun. Wobei es sicher eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielt, um welche Dinge es sich dabei handelt. Zum Beispiel habe
ich keine Schwierigkeiten, eine Frau beim Sex rhythmisch zu stimulieren, ihr dabei in die Augen zu sehen und mir gleichzeitig
vorzustellen, ich würde es mit Pamela Anderson treiben.
Über einen Millionenetat zu verhandeln und dabei gleichzeitig unter dem Tisch Fummelversuche abzuwehren, während mir der Ehemann
der Fummelnden ins Gesicht blickt und ich außerdem ihre Schwiegereltern bespaße, ist jedoch eindeutig zu viel für mich. Da
wäre aber sicher jeder Mann überfordert.
Meine Rettung erscheint in Form von Antonio, dem für meinen Geschmack überparfümierten Chef des Hauses, der nicht nur jedem
aus der Runde eine Umarmung und zwei Küsschen spendiert, sondern auch noch eine Runde |126| Prosecco aus der Küche herbeiklatscht. Jetzt klebt Paco Rabannes «XS» unwiderruflich an meiner Backe. Nicht mein Fall, aber
zu ihm passt es. Klein, schwarz und mit kalabrischem Einschlag.
Was nun folgt, lässt sich getrost als Gala-TV bezeichnen, allerdings mit falscher Tonspur:
Antonio (denkt):
Mist. Nicht die schon wieder. Warum kann die Zuckerpuppe nicht mal ohne ihre Familie kommen?
(sagt):
«Aaaaaaah! Buon giorno! Endlich kommen wieder einmal vorbei und verleihen meine bescheidene Hütte große Glanz!»
Madame (denkt):
Kann der immer noch kein vernünftiges Deutsch? Der Schleimer hat es doch ohnehin nur auf unsere Lydia abgesehen.
(sagt):
«Signor Antonio, hätten wir nicht so viel zu tun – wir wären ständig bei Ihnen!»
Antonio (denkt):
Zum Glück kriegst du alter Raffzahn ja nie genug vom Geldverdienen.
(sagt):
«Ooooooh! Wie mich freute zu hören, dass Geschäfte laufen gutt!?»
Mme (denkt):
Neugierige Natter.
Urs (denkt):
…
Lydia (denkt):
Und wie gut die Geschäfte laufen! Ich zeige dir gern mal, wie es ist, mit einer erfolgreichen Geschäftsfrau zu schlafen.
Ich (denke):
Harrr. Hmmm. Fester …
|127| Sky du Mont unterbricht Gala-TV, indem er sich mit ehrlich
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