Kein Sex ist auch keine Loesung
auszuschließen, dass dies etwas mit dem für Lydia recht vorteilhaften Ehevertrag zu tun hat, der die Cremands,
im Falle einer Scheidung, viel Geld und außerdem eine exzellente Mitarbeiterin kosten würde.
Lydia hat jedenfalls ihr Ziel erreicht, sie wird dank dieser Konstellation nie wieder arm sein, so viel ist sicher.
Tja, so berechnend können Frauen sein. Ich habe es ja immer gewusst.
«Du bist aber auch ein Stück auf der Karriereleiter hochgeklettert, hm?» Lydia unterbricht meine Gedankengänge und zwinkert
mir zu. «Sicher würde dich so ein |136| gewonnener Etat noch eine Treppenstufe höher befördern, stimmt’s?»
Blitzbirne. Natürlich würde Rolf mir die Füße küssen und mein Gehalt erhöhen, und auch Elisa würde sich endlich bewundernd
an meine Brust werfen.
Yeah, Goldgräberstimmung liegt in der Luft!
Während Lydia kurz in Richtung Toilette verschwindet, überlege ich ein weiteres Mal, ob ich meinen Alfa nun gegen einen Porsche
911 oder lieber gegen einen M5 tauschen soll. Mmh, erst mal Probe fahren vielleicht.
Frauen verfügen ja über ein angeborenes Interesse an Cabriolets, sofern diese mit fremden, sonnenbebrillten, südländisch anmutenden
Kerlen bemannt sind. Hat man allerdings endlich selbst eine Lady ins Auto bekommen, tauchen aus dem Nichts die unglaublichsten
Argumente auf, weswegen man das Verdeck doch bitte geschlossen halten möge. Die Frisur wird ruiniert … Auf das neue Kleid kacken Vögel … Sonne und Wind trocknen die Haut aus und verursachen Falten …
Ich habe wirklich schon alles zu hören bekommen. Einsamer Spitzenreiter dieser Kategorie: Der Hund bekommt eine Bindehautentzündung.
Gerade als ich darüber nachgrübele, ob Elisa wohl Cabriolet-tauglich ist oder ob ich mich besser für einen Range Rover entscheiden
sollte, kommt der Kellner mit zwei Umschlägen. Inspiriert durch
Herzblatt
, überlege ich einen Moment, für welchen ich mich entscheiden soll, bis er mir, mit blasierter Miene, beide in die Hand drückt
und auf dem Absatz kehrtmacht.
Erwartungsfroh – was genau ich erwarte, weiß ich allerdings nicht – reiße ich den ersten Umschlag auf.
|137| «19.23 Uhr, 19.40 Uhr, 20.05 Uhr: Anrufe von Herrn Luke Campbell. Er bittet dringend um Rückruf.»
Hm. Wie hat der mich denn hier aufgespürt? Und was er wohl will? Wahrscheinlich wieder so eine Frauengeschichte. Werde mich
morgen von zu Hause darum kümmern.
Nicht mehr ganz so erwartungsfroh entnehme ich dann dem zweiten Umschlag eine Karte, auf der mit weiblich geschwungener Handschrift
geschrieben steht, was offenbar als mein persönliches Waterloo gedacht ist:
Du kriegst den Etat. Und ich den Full Service. Erwarte
dich oben. Zimmer
247
.
Lydi
Dort, wo ich herkomme, nennt man so etwas Erpressung.
Okay, dies ist vielleicht nicht der klassische Erpresserbrief, und anscheinend wird auch niemand aus meiner Verwandtschaft
als Geisel gefangen gehalten, aber dennoch: Die Frau ist verheiratet!
Zugegeben, meine Bedenken sind weniger moralischen Ursprungs, sondern gelten vielmehr der Tatsache, dass sich der Geisteszustand
ihres Mannes nur als «nicht ganz einwandfrei» bezeichnen lässt. Das Potenzial seiner kriminellen Energie, geschürt durch Eifersucht,
ist somit nur schwer einzuschätzen.
Ein zweiter Gedanke taucht am Horizont meines schon wieder hochstrapazierten Hirns auf, verschwindet und taucht kurz darauf
erneut auf, um es sich dort bequem zu machen. Elisa.
Wie bereits erwähnt, bin ich zwar durchaus in der Lage, beim Sex mit einer Frau an eine andere zu denken, aber |138| zum einen handelt es sich dabei natürlich um graue Theorie, und zum anderen ist es in der Praxis eigentlich nicht meine Art,
zwei Affären gleichzeitig zu pflegen. Allein der Gedanke daran ist mir schon zu anstrengend. Außerdem mag man sich ja vielleicht
dazu hinreißen lassen, aus der Routine des Ehelebens auszubrechen (ab dem ersten Jahr), aber man betrügt doch nicht eine Frau,
mit der man ohnehin nur eine Affäre hat. Das ist ja, als wenn man beim Essen Kochrezepte austauscht. Als würde es einem nicht
schmecken!
Also gut. Heute werde ich wohl mal von meinen Prinzipien abweichen müssen. Bleibt nur die Sache mit dem Ehemann.
Der hat nämlich bestimmt nicht vor, mir sowohl seine Frau als auch einen Millionenwerbeetat mit auf den Weg zu geben. Und
ich will sie ja auch gar nicht haben. Die Frau, meine ich. Aber zurücknehmen würde er sie dann womöglich auch
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