Kein Sex ist auch keine Loesung
gar nicht erwarten, von mir wegzukommen.
Oder aber – jetzt dämmert es mir langsam – woanders hinzukommen.
Hat sie etwa meine Gutmütigkeit ausgenutzt, mit der ich es seit immerhin zwei Monaten geduldig ertrage, dass sie den Kühlschrank
mit ihren Nagellackflaschen blockiert, meinen Rasierer für ihre Beine benutzt, die CDs in die falschen Hüllen zurücksteckt
und mir samstags das völlig zerknüllte und komplett bekritzelte «Hamburger Abendblatt» überlässt? Sollte sie sich klammheimlich
ein neues Opfer für ihre Sammelleidenschaft gesucht haben? Mit dem sie dann ganz nebenbei und aus reiner Dankbarkeit auch
noch schläft? Wir hatten nämlich schon auffällige |231| fünf Tage keinen Sex mehr, und plötzlich verstehe ich auch, warum.
«Äh, und wo ziehst du hin, wenn man fragen darf?», frage ich in dem beiläufigsten Tonfall, der mir in dieser Situation möglich
ist.
«Oh, ich habe jemanden aus meinem Studium im
Bar-Kasse
getroffen. Lilo hat ab dem ersten Dezember einen Job in Berlin, zieht Mitte des Monats schon aus und hat noch keinen Nachmieter.
Ist das nicht ein Zufall?»
Elisa strahlt mich an, als hätte ihr gerade der Arzt eröffnet, dass die tödliche Diagnose ein Irrtum war und eigentlich dem
Bettnachbarn galt.
Hä? Wann, bitte schön, war sie denn im
BarKasse
, dieser fiesen Spelunke, die man eigentlich nur aufsucht, um jemanden abzuschleppen – oder sich abschleppen zu lassen?
Ich kann mich irgendwie immer noch nicht so recht freuen. Elisa dafür umso mehr, denn sie macht gerade die zweite Flasche
Prosecco auf und schenkt uns kräftig nach.
Die Feierlichkeiten beschränken sich jedoch von meiner Seite darauf, ihr halbherzig zuzuprosten und in regelmäßig wiederkehrenden
Abständen ein verkrampftes «Schön für dich» von mir zu geben. Dann beginnt mal wieder das Telefon zu läuten.
Hatte ich übrigens vorhin in meiner Aufzählung von Elisas unerträglichen Eigenschaften das katapultartige Hochschnellen meiner
Telefonrechnung und meine sich umgekehrt proportional dazu entwickelnde Erreichbarkeit erwähnt?
Angeblich hat die Freundin einer Freundin eine emotionale |232| Krise. Und nun muss, mittels Konferenzschaltung zu den übrigen Freundinnen, über das Schicksal des armen Kerls entschieden
werden, dessen einziges Verbrechen darin bestand, eines Abends nicht nach Hause gekommen zu sein. So wie ich die Sache sehe,
gibt es nicht einen einzigen stichhaltigen Beweis für das Fremdgehen des mutmaßlichen Serienbetrügers – trotzdem ist der Rat
der weisen Frauen unerbittlich.
Ich fange an, mich zu langweilen, und will das glühende Gespräch der überdrehten Frauengang auch nicht mehr länger mit anhören,
sodass ich auf einen Zettel schreibe: Essengehen zum Abschied? Freitag bei Rocco – 20 Uhr?
Elisa wirft einen kurzen Blick darauf und nickt zustimmend, ohne jedoch ihren Redeschwall zu unterbrechen.
Was Frauen können, können eben nur Frauen.
Ich beschließe daher, zu tun, was Männer sehr gut können, nämlich, einen trinken zu gehen. Da zu Hause die Leitung blockiert
ist, versuche ich von unterwegs einen meiner übriggebliebenen Freunde dazu zu bewegen, mein bevorstehendes Junggesellendasein
zu feiern. Doch die Runde ist schnell abtelefoniert, und das Ergebnis ist erbärmlich.
Vince, zuverlässig wie immer, geht zwar gleich ans Telefon, ist aber auf dem Sprung. Heute liegt «Hideaki Motaki – Gym plus Baby» an. Muss ich noch mehr sagen?
Marc ist nicht zu erreichen, und Nadja will nur kommen, wenn sie Ronald mitbringen darf. Pah!
Ein Anruf bei Luke kommt nicht in Frage, der soll meinetwegen den Rest seines Lebens in der Hölle schmoren. Auch wenn er mir
ab jetzt stündlich auf die Mailbox quatscht, würde ich mich eher mit der Kanzlerin zum Salsa-Kurs |233| anmelden, als mit ihm jemals wieder ein Wort zu wechseln. Das Gleiche gilt übrigens auch für meine Mutter, die erst heute
Morgen wieder vergeblich auf meinen Anrufbeantworter gesprochen hat: «Sag mal, Tom, willst du jetzt den Rest des Jahres schmollen,
oder werden wir uns zu meinem Geburtstag sehen? Ich würde mich jedenfalls sehr freuen. Ciao, Tessa.»
Pah. Tessa! Dass ich nicht lache.
Langsam nervt es, dass sie sich wie ein wildgewordener Teenager selbst beim Spitznamen nennt, statt wie andere normale Mütter
einfach «Mom» oder «Mutti» zu sagen. Nicht einmal der Zeitungsjunge kennt ihren Nachnamen. Als wäre sie ein Filmstar.
Ich werde ihren Geburtstag
Weitere Kostenlose Bücher