Kein Sex ist auch keine Loesung
und beendet triumphierend ihre Predigt mit den Worten: «Deine Mutter ist also nun eine von den neun Frauen, die du mit
nach Hause nehmen würdest, um gemeinsam Spaß zu haben. Also theoretisch natürlich nur.»
Zum Zeichen ihres Sieges sticht sie mit dem Messer auf eine Tomate ein, als wäre es eine Voodoo-Puppe mit meinem Gesicht.
Ein Rest Intelligenz gebietet es mir, die Klappe zu halten, um mich nicht dem argumentativen Exitus auszuliefern.
Eine Weile schweigen wir uns an und grübeln über die Komplexität des Themas nach. Das heißt, Elisa grübelt, und ich döse angetrunken
vor mich hin, bis sie sich schließlich noch einmal zu Wort meldet.
«Wie meinst du das überhaupt? Gehörst du etwa auch zu der Sorte Mann, die ständig gegen ihre Natur monogam |225| lebt und dabei eigentlich täglich kämpft, damit ihm keiner von diesen ‹naturbedingten› Ausrutschern passiert?»
Alaaaarm! Selbst nach zehn Flaschen Cognac würde ich hier noch die Gefahr wittern. Schon allein der freundliche Hundeblick,
in den Frauen gern Fragen dieser Art verpacken, bedeutet nichts Gutes.
Das Problem ist nämlich folgendes: Man hat nie genügend Zeit, um die Frage und die möglichen Folgen einer falschen Antwort
bis ins Detail zu durchdenken. Deswegen habe ich mir für solche Fälle ein paar Standardantworten zurechtgelegt:
Antwort 1:
Hat man mit der Frau noch keine Beziehung, zieht dies aber in Erwägung, empfiehlt es sich, bei der Wahrheit zu bleiben. Frauen
haben ja meist auch schon die eine oder andere Erfahrung mit Männern gemacht, und Liebesschwüre in der Phase des Kennenlernens
würden sie daher schnell als lächerlichen Trick enttarnen, um sie ins Bett zu kriegen. Beste Antwort in diesem Fall also:
«Na ja, du weißt ja, Männer haben dieses schreckliche naturgegebene Bedürfnis, sich fortzupflanzen. Wenn man also keine feste
Beziehung hat, nimmt man schon mal eine Gelegenheit wahr, wenn sie sich bietet.» Schulterzucken und fragender Blick.
Antwort 2:
Ist man besagter Frau schon nähergekommen und befindet sich in der auf Gegenseitigkeit beruhenden Verliebtheitsphase, kann
man getrost Dinge sagen wie: «Seit ich dich kenne, habe ich überhaupt kein Bedürfnis mehr, mit anderen Frauen zu schlafen.
Wirklich nicht.» Hundeblick und Cut!
|226| Antwort 3:
Wird diese Frage nach einigen Jahren des Zusammenseins gestellt, sollte die Antwort am besten lauten: «Schatz, ich bin so
glücklich mit dir, mir fehlt es an nichts. Und Männer gehen doch nur fremd, wenn ihnen etwas fehlt.» Diese Antwort hat meist
den angenehmen Nebeneffekt, dass besagte Frau in Windeseile überlegt, woran es einem im Bett wohl mangeln könnte. Und ich
sage Ihnen, wegen irgendetwas haben die immer ein schlechtes Gewissen. Am Abend gibt’s dann folglich nicht nur irgendwie Geschlechtsverkehr,
nein, es werden Stellungen erprobt, die vorher nur mit unwilligem Grunzen oder der Migräne-Lüge abgetan wurden.
Das Ganze ist natürlich ausgemachter Schwachsinn. Die einzig aufrichtige Antwort lautet: Ja! Als Mann gehört man einer Risikogruppe
an, die den ganzen Tag ans Ficken denkt. In uns tickt eine Zeitbombe, nicht zuletzt deswegen, weil wir ständig sexuellen Schlüsselreizen
ausgesetzt sind: rote Lippen, kurze Röcke, tief ausgeschnittene Dekolletés, wackelnde Hintern und so weiter.
Ab und zu erliegen wir eben mal einer Versuchung, was für uns jedoch nicht die geringste Bedeutung hat. Folglich kehren wir
meist nach nur einer Nacht reumütig in den heimischen Schoß zurück.
Wieso nur hatte ich bis eben den Eindruck, Elisa und ich wären eine sexpraktizierende Wohngemeinschaft, die ab und zu gemeinsam
zu Abend isst? Und wieso habe ich jetzt das Gefühl, wir führen eine Beziehungsdiskussion?
«Sag jetzt lieber nichts», rät Elisa und wirft mir einen Blick zu, der nicht minder scharf ist als das Messer, das |227| sich immer noch in ihrer Hand befindet. «Dann musst du mich auch nicht anlügen.»
Immerhin traut sie mir noch zu, eine Antwort formulieren zu können, was mir aber schon lange nicht mehr möglich ist. Ich denke
kurz darüber nach, wie es eigentlich sein kann, dass ich schon so lange keiner attraktiven Frau mehr begegnet bin, dann kippe
ich – dun wie zehn Russen – vom Stuhl.
Als ich mitten in der Nacht aufwache, liege ich halb auf, halb unter dem Sofa.
Mein linker Oberschenkel fühlt sich allerdings eher an, als hätte ich die Nacht auf einem Stecknadelkissen verbracht. Genervt
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