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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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Geschichte von einer brutalen Kindheit in Nordkorea. Gandle hatte ihn nie gefragt. Es gab einige finstere Ecken, die man nicht einmal in Gedanken betreten sollte; die dunkle Seite von Eric Wu - ha, als gäbe es eine helle Seite! - war eine davon.
    Als Wu das Protoplasma, das einst Vic Letty gewesen war, in die Plane gewickelt hatte, sah er Gandle mit seinen leeren Augen an. Tote Augen, dachte Larry Gandle. Die Augen eines Kindes aus einem Kriegsbericht.
    Wu hatte den Kopfhörer nicht extra abgenommen. Aus seinem Walkman tönte weder Hip-Hop noch Rap oder Rock’n’ Roll. Er lauschte fast ununterbrochen diesen CDs mit beruhigenden Geräuschen, die man häufig bei Sharper Image findet; CDs mit Namen wie Meereswind oder Bergbach.
    »Soll ich ihn zu Benny bringen?«, fragte Wu. Seine Sprachmelodie war seltsam, fast wie aus einem Peanuts- Zeichentrickfilm.
    Larry Gandle nickte. Benny hatte ein Krematorium. Asche zu Asche. Oder, wie in diesem Fall, Abschaum zu Asche. »Und die hier muss auch weg.«
    Gandle reichte Wu die 22er. In Wus riesiger Pranke wirkte die Waffe nutzlos und zerbrechlich. Wu sah sie stirnrunzelnd an, wahrscheinlich enttäuscht, dass Gandle sie Wus einzigartigen Fähigkeiten vorgezogen hatte, und stopfte sie in die Hosentasche. Eine 22er erzeugte kaum Austrittswunden. Also gab es nur wenig Beweismaterial. Das Blut hatten sie in einer Plastikplane aufgefangen. Wisch und weg.
    »Bis später«, sagte Wu. Er ergriff die Plane mit der Leiche wie einen Aktenkoffer mit einer Hand, hob sie hoch und trug sie hinaus. Larry Gandle nickte kurz zum Abschied. Vic Lettys Schmerzen hatten ihm wenig Freude bereitet - sie hatten ihn allerdings auch nicht weiter belastet. Eigentlich war die Sache ganz einfach. Gandle musste absolut sichergehen, dass Letty allein gearbeitet und nicht irgendwo Beweismaterial für jemand anders hinterlegt hatte. Das bedeutete, dass er den Mann so lange unter Druck setzen musste, bis er vollkommen zusammenbrach. Es ging nicht anders.
    Im Endeffekt musste man eine klare Entscheidung treffen - für die Scopes oder für Vic Letty. Die Scopes waren gute Menschen. Sie hatten Vic Letty nie etwas getan. Vic Letty hingegen hatte viel Energie aufgewandt, um der Familie Scope Schaden zuzufügen. Aus so einer Geschichte konnte nur einer unversehrt herauskommen - das unschuldige, wohlmeinende Opfer oder der Parasit, der versuchte, sich am Elend eines anderen zu bereichern. Wenn man es recht bedachte, blieb einem nichts anderes übrig.
    Gandles Handy vibrierte. Er nahm den Anruf an. »Ja.«
    »Sie haben die Leichen am See identifiziert.«
    »Und?«
    »Sie sind es. Herrgott, es sind Bob und Mel.«
    Gandle schloss die Augen.
    »Was bedeutet das, Larry?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    Larry Gandle wusste, dass er keine Wahl hatte. Er musste mit Griffin Scope sprechen. Dabei würden unangenehme Erinnerungen wachgerufen werden. Acht Jahre. Nach acht Jahren. Gandle schüttelte den Kopf. Es würde dem alten Mann noch einmal das Herz brechen.
    »Ich kümmer mich drum.«

6
    Kim Parker, meine Schwiegermutter, ist schön. Sie war Elizabeth immer so ähnlich, dass ich ihr Gesicht als Was-hätte-sein-können angesehen habe. Doch Elizabeths Tod hatte sie sehr mitgenommen. Ihr Gesicht war verhärmt, die Züge waren brüchig geworden. Ihre Augen sahen aus wie von innen heraus zersprungene Murmeln.
    Das Haus der Parkers hatte sich seit den Siebzigern nur unwesentlich verändert - Klebefolie mit Holzdekor an den Wänden, kurzfloriger, hellblauer Teppichboden mit weißen Sprenkeln, ein Kamin aus Kunststein wie bei den Bradys in Drei Mädchen und drei Jungen. An der Wand standen klappbare Beistelltischchen mit Plastikplatte und goldfarbenen Metallbeinen. Die Wände waren mit Bildern von Clowns und Sammeltellern mit Norman-Rockwell-Motiven geschmückt. Die einzige erkennbare Neuerung war der Fernseher. Er war im Laufe der Jahre von einem stämmigen Schwarzweißgerät mit 30er-Bildröhre zu einem monströsen 70-Zentimeter-Farbfernseher herangewachsen, der geduckt in der Ecke kauerte.
    Meine Schwiegermutter saß auf derselben Couch, auf der Elizabeth und ich uns so oft unterhalten und auch ein paar andere Dinge getan hatten. Ich lächelte kurz und dachte: Wenn diese Couch sprechen könnte. Aber an diesem entsetzlichen Sitzmöbel mit dem großen Blumenmuster hingen nicht nur lüsterne Erinnerungen. Ich hatte mit Elizabeth darauf gesessen, als wir die Briefe mit den Zusagen unserer Studienplätze

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