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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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abblitzen lassen.
    Jetzt wusste ich, dass sie mich belogen hatte.
    Ich könnte Ihnen erzählen, dass Elizabeth mich nie belogen hat, aber angesichts dieser neuen Entdeckung hätte eine solche Aussage nur wenig Überzeugungskraft. Es war jedoch die erste Lüge, von der ich wusste. Wir hatten wohl beide unsere Geheimnisse gehabt.
    Als ich am Quick-n-Park war, fiel mir etwas Eigenartiges ins Auge - vielleicht sollte ich eher sagen, eine eigenartige Person. An der Ecke stand ein Mann in einem hellbraunen Mantel.
    Er sah mich an.
    Und er kam mir irgendwie bekannt vor. Ich kannte ihn nicht, hatte aber trotzdem eine Art beunruhigendes Déjà-vu-Erlebnis. Ich hatte diesen Mann schon einmal gesehen. Irgendwann heute Vormittag. Wo war das gewesen? Ich ging den Vormittag im Kopf durch und entdeckte ihn vor meinem inneren Auge:
    Ich hatte den Mann im hellbraunen Mantel auf dem Starbucks-Parkplatz gesehen, als ich heute Morgen um acht den Wagen abgestellt hatte.
    War ich mir sicher?
    Nein, natürlich nicht. Ich wandte den Blick ab und ging zur Wärterkabine. Der Parkplatzwächter - auf seinem Namensschild stand Carlo - sah fern und aß ein Sandwich. Er schaute noch eine halbe Minute auf den Bildschirm, ehe er gemächlich geruhte, mich zur Kenntnis zu nehmen. Dann wischte er sich ruhig die Krümel von den Händen, nahm mein Ticket und stempelte es. Ich bezahlte, und der Wächter gab mir meine Autoschlüssel.
    Der Mann im hellbraunen Mantel war immer noch da.
    Ich musste all meine Konzentration zusammennehmen, um ihn auf dem Weg zum Wagen nicht anzusehen. Ich stieg ein, ließ den Motor an, fuhr los und sah erst in den Rückspiegel, als ich auf der 10 th Avenue war.
    Der Mann im hellbraunen Mantel würdigte mich keines Blickes. Ich behielt ihn im Auge, bis ich auf den West Side Highway abbog. Er sah nicht ein einziges Mal in meine Richtung. Verfolgungswahn. Langsam wurde ich wirklich paranoid.
    Warum also hatte Elizabeth mich belogen?
    Ich dachte darüber nach und kam zu keinem Ergebnis.
    Bis zur Ankunft der Bat-Street-Nachricht hatte ich noch drei Stunden Zeit. Drei Stunden. Mann, ich musste mich irgendwie ablenken. Wenn ich zu sehr grübelte, was am anderen Ende dieser Internet-Verbindung sein könnte, zerfraß es mir noch die Magenschleimhaut.
    Ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich versuchte nur, das Unvermeidliche etwas hinauszuzögern.

    Als ich nach Hause kam, saß Opa allein in seinem Sessel. Der Fernseher war aus. Die Schwester quasselte auf Russisch ins Telefon. Mit der wurde das nichts. Ich musste die Vermittlung anrufen, damit sie eine andere schickten.
    In Opas Mundwinkeln klebten ein paar Eireste, also nahm ich ein Taschentuch und wischte sie vorsichtig ab. Unsere Blicke trafen sich, doch er starrte auf irgendetwas weit hinter mir. Ich sah uns alle gemeinsam am See. Opa posierte für seine beliebten Vorher-Nachher-Bilder eines Schlankheitsmittels. Er stellte sich so hin, dass er im Profil zu sehen war, sank in sich zusammen, stülpte seinen elastischen Bauch heraus und rief: »Vorher!« Dann zog er ihn ein, spannte die Muskeln an und schrie: »Nachher!« Das machte er hervorragend. Mein Vater johlte vor Lachen. Dads Lachen war fantastisch und hochgradig ansteckend. Sein ganzer Körper lachte mit. Mein Lachen war auch so gewesen. Es ist mit ihm gestorben. Ich konnte nicht mehr so lachen. Es kam mir unanständig vor.
    Als sie mich hörte, legte die Schwester schnell auf und kam breit lächelnd ins Zimmer. Ich erwiderte ihr Lächeln nicht.
    Ich beäugte die Kellertür. Noch immer zögerte ich das Unvermeidliche heraus.
    Schluss mit der Zauderei.
    »Bleiben Sie bei ihm«, sagte ich.
    Die Schwester nickte und setzte sich.
    Der Keller war zum letzten Mal in einer Zeit renoviert worden, als die Leute noch nicht angefangen hatten, ihre Keller schick auszubauen, und das sah man. Der ehemals braune Teppichboden hatte Löcher und Wasserflecken. Auf die Asphaltwände hatte man weißes Backsteindekor aus irgendeinem seltsamen Kunststoff geklebt. Ein paar Tapetenbahnen hatten sich von oben bis zum Teppichboden von der Wand gerollt, andere waren bis zur halben Höhe intakt, wie die Säulen der Akropolis.
    Die Tischtennisplatte war zu einem schon fast zeitgemäßen Mintgrün verblichen. Das zerfetzte Netz erinnerte an die Barrikaden nach der Erstürmung durch die französischen Truppen. Die Griffe der Schläger waren so rau, dass man sich beim Anfassen vor Holzsplittern hüten musste.
    Ein paar Kartons, einige davon angeschimmelt,

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