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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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vereinbarten Treffpunkt in Remich gekommen. Wie er es richtig eingeschätzt hatte, wollte sie nicht essen, sondern lieber eine Runde spazieren gehen. Und er hatte auch richtig damit gelegen, dass sie lieber in den Wald wollte, als den öden Uferweg entlang der Mosel zu laufen. Er hatte dann angeboten, zu einem schönen Gebiet ganz in der Nähe zu fahren, das er von seiner Jugend her kannte. Sie hatten geplaudert, und er hatte sich zu Recht auf seinen Charme verlassen können.
    Ihm war klar gewesen, dass es ein Risiko war, nach Dalheim zu fahren. Doch seine Tante wohnte noch immer in der Dorfmitte in dem alten Haus in der Kettengaas. Er hatte sein Auto am nördlichen Ortsrand am Ende des Heedscheierwee abgestellt. Hier würden sie in ihm sicher nicht den kleinen, schon damals stämmigen Jungen erkennen, der sich mit Stöcken bewaffnet auf den Weg zum »Verbrannte Bësch« gemacht hatte.
    Nanette Bonitzer schien anfangs etwas nervös zu sein. Er spürte aber, dass dies mehr auf ihrer Erwartungshaltung beruhte und weniger auf der Befürchtung, mit einem fremden Mann in der Einöde durch den Wald zu gehen. Wichtig war für ihn, dass sie ihn nicht erkannt hatte. Das war eine seiner Befürchtungen gewesen. Er hatte die Situation vor zehn Tagen nicht aus seinem Gedächtnis verbannen können, auch wenn er es zumeist schaffte, sie zu verdrängen. Doch jetzt sollte sie sich nicht wiederholen. Diese erste Erkenntnis verschaffte ihm eine große Erleichterung, und er konnte seine Rolle umso besser spielen.
    Er berichtete von seiner Arbeit als Journalist, von den zunächst gelegentlichen, zwischenzeitlich häufigeren Treffen mit Alexander, in denen sie sich angefreundet hätten. Wegen seiner vielen Auslandsreisen hatten sie sich zuletzt jedoch nur noch selten gesehen. Er gab vor, dass Alexander, der mit seiner Familie und der Berufstätigkeit seiner Frau örtlich gebunden gewesen war, ihn um seine Freiheit beneidet hatte. Dann betonte er, wie sehr er ihn dafür geschätzt hatte, dass er dennoch an ambitionierten Storys gearbeitet hatte und sicher auf dem Weg gewesen war, ein richtig guter Journalist zu werden. Von dem Unfall von Alexander habe er erst vor ein paar Tagen erfahren, nachdem er von einer längeren Recherche in Westafrika zurückgekommen sei.
    Er hatte gespürt, dass seine Erzählung und vor allem die Würdigung Altmüllers den Zugang zu dessen Exgeliebter ebneten. Sie hatten inzwischen die schmale Straße verlassen und waren einen Feldweg entlanggegangen, der sie am Hang durch vereinzelte Gebüsche und Obstwiesen führte. Doch die junge Frau hörte nur ihm zu und schien die landschaftliche Kulisse gar nicht wahrzunehmen.
    Sie waren durch ein kleines Waldstück gegangen, weiter über Wiesen mit Blick auf den Nachbarort Waldbredimus und zurück in den zusammenhängenden Wald. Hier kannte er sich immer noch gut aus. Hätte eigentlich am Vortag gar nicht herkommen müssen. Dass er es aber doch getan hatte, hatte ihm noch mehr Sicherheit verliehen. So hatte er auch einen schönen Platz auf einem Stapel von Holzstämmen ausgemacht, auf dem er Bonitzer eingeladen hatte, sich zu setzen. Anschließend hatte er von Alexander berichtet, der bei ihrem letzten Treffen von einer tollen Frau geschwärmt hatte, in die er sich heftig verliebt habe. Von den dadurch verursachten Schwierigkeiten mit seiner Familie, von seinen Gewissensbissen, aber auch von seinen Träumen über eine Zukunft mit der neuen Liebe. Seine Worte hatten bei ihr die erhoffte Wirkung nicht verfehlt.
    Er hatte gesehen, wie ihre Augen zuerst feucht wurden, dann die ersten Tränen an ihrer Wange herunterrollten und sie schließlich vollends in Tränen ausbrach. Er hatte den Tröster gemimt und sie in die Arme genommen, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Nun hatte sie sich von ihrer seelischen Last befreit, von den Zweifeln der letzten Monate erzählt, von ihrer Wut und ihrer Trauer. Sie hatten sicherlich eine Stunde auf den Stämmen verbracht, als er vorschlug, weiterzugehen, und das Thema wechselte.
    Er war wieder auf die gute Arbeit des Journalisten Altmüller zu sprechen gekommen, auf aussichtsreiche Recherchen zum Bitburger Flughafen, und fragte, ob Alexander ihr gegenüber etwas davon berichtet hätte. Sie verneinte, sagte, dass sie selten über seine Arbeit gesprochen hätten. Als er nachhakte und erwähnte, dass sie ja im luxemburgischen Staatslabor arbeitete, in dem Alexander eine spektakuläre Story vermutet hatte, wurde sie das erste Mal hellhörig. Doch

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