Kein Tod wie der andere
Obwohl es eng geschnitten war, war es so weit hochgerutscht, dass eine Seite des Pos zur Hälfte entblößt war. Die langen, nackten Beine steckten in zwei flachen schwarzen Schnürschuhen. Die halblangen mittelblonden Haare hatten sich zum Teil in den kleinen Ästen verfangen. Dort waren sie getrocknet und deutlich heller als der fächerartige Haarteppich, der sich um den Kopf der Toten gebildet hatte. In ihrer fast schon harmonischen Eintracht schienen Fluss und Leiche dem Betrachter ihre Unschuld an der gegenwärtigen Situation aufzeigen zu wollen.
Der Kommissar schaute flussaufwärts in den zunehmend rötlichen Himmel. Er ging die wenigen Schritte zurück zu seinen Kollegen, die es vorgezogen hatten, weiter oben auf dem Uferweg zu warten. Ducard und Frohwein schauten ihn abwartend an, während sich Grehler mit vor der Brust verschränkten Armen und mürrischem Gesicht offensichtlich zu langweilen schien.
»Was könnt ihr schon sagen?«, fragte Buhle in die Runde.
Ducard übernahm die Schilderung der Ergebnisse. Währenddessen machten sich die Taucher mit Unterstützung der Polizeibeamten an Land an die Bergung der Leiche.
»Kollege Bernd Frohwein hatte uns ja bereits mitgeteilt, dass ihr die Stelle gefunden hattet, wo das Opfer in die Sauer geworfen wurde.«
Buhle unterbrach Ducard sofort. »Seid ihr also sicher, dass es sich um einen Mord handelt?«
Der luxemburgische Polizist erwiderte mit einem leichten Schmunzeln: »Nein, sind wir natürlich noch nicht. Aber die deutsche Polizei hat an der Stelle Spuren einer Auseinandersetzung festgestellt.«
»Allerdings.« Grehler schien die ganze Zeit auf sein Stichwort gewartet zu haben. »Natürlich ist es unglaublich schwer, in dem Gestrüpp überhaupt Spuren zu finden. Aber außer dem Opfer sind noch eine, wahrscheinlich sogar zwei weitere Personen dort gewesen. Meine Leute versuchen, die Schuhabdruckspuren, soweit es irgendwie geht, zu sichern. Um die zuordnen zu können, wäre es ungemein hilfreich, endlich an die beiden Schuhe zu kommen, die die Leiche immer noch trägt.«
Ducard hob die Augenbrauen. »Herr Grehler. Ich fürchte, bei den Schuhen müssen Sie sich noch etwas gedulden, bis unsere Spurensicherung sie untersucht hat. Und dann befürchte ich, dass die Staatsanwaltschaft noch mitreden will, wenn Beweismaterial nach Deutschland weitergegeben wird.«
Grehler starrte den luxemburgischen Kommissar entgeistert an. Dann wanderten seine Augen weiter zu Buhle.
»Nun, Lutz, ich befürchte, dass wir in diesem Grenzfall wohl etwas anders agieren müssen, als wir es gewohnt sind«, formulierte Buhle vorsichtig. »Aber ich bin mir sicher, ihr findet Wege, wie ihr auch ohne den Austausch von Beweismaterial schnell feststellen könnt, welche Spuren zu den Schuhen des Opfers passen.«
Grehlers Blick haftete weiter an Buhle. Der wusste, dass der Chef der Trierer Kriminaltechnik innerlich bebte. Doch Grehler schien sich nun in sein Schicksal zu fügen und wandte sich an Ducard. »Fotos von den Schuhen, wenn ich die vielleicht bitte selber machen dürfte, darf ich die dann mitnehmen?«
»Natürlich. Wir können auch Ihre Gipsabdrücke der Spuren bei uns im Labor mit der Schuhsohle des Opfers vergleichen. Gar kein Problem. Sie werden selbstverständlich sofort von den Ergebnissen unterrichtet.« Ducard sprach ohne einen Unterton mit völlig neutralem Gesichtsausdruck, sodass Grehler sich schließlich umdrehte und zu seinen luxemburgischen Kollegen von der Spurensicherung abdampfte.
Buhle schaute Grehler hinterher. »Das passt ihm gar nicht, dass er hier nicht die Fäden in der Hand hat.«
»Kann ich mir gut vorstellen. Ginge mir wohl genauso. Aber noch liegt die Leiche bei uns«, stellte Ducard fast entschuldigend fest. »Du wolltest ja wissen, was wir haben. Also, wir nehmen an, dass das Opfer auf der deutschen Seite in die Sauer gelangt ist. Die Stelle, die du ja auch schon gesehen hast, liegt etwa anderthalb Kilometer flussaufwärts. Die Sauer führt momentan mehr Wasser als normal. Kann also sein, dass die Leiche zunächst untergegangen ist und in der langsamen Strömung über die Gewässersohle bis hierher an dieses Ufer getrieben ist. Dadurch wird sie sicherlich einige postmortale Verletzungen aufweisen. Wir müssen die Obduktion abwarten, wenn wir wissen wollen, ob und welche Verletzungen sie durch die Tat davongetragen haben könnte.«
»Du gehst also von Mord aus?«
»Christian, dein Kollege hat mir berichtet, dass es in der Familie jetzt schon den
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