Kein Tod wie der andere
bin?«
Buhle war im ersten Augenblick sprachlos. Sicherlich wusste er, wer Hannah Sobothy war: eine junge Radioreporterin, die auf Pressekonferenzen auf eine sehr unbeschwerte, direkte Art Fragen stellte und zudem ausschließlich Kleider trug. Beides war Buhle sehr wohl im Gedächtnis geblieben. Doch außer dem offiziellen Frage-Antwort-Spiel hatte er mit der jungen Frau noch kein Wort gewechselt.
»Ja, Frau Sobothy, ich weiß, wer Sie sind. Warum rufen Sie mich an?« Buhle hatte zwischenzeitlich an der Nummer im Display erkannt, dass es Sobothy gewesen war, die schon mehrmals versucht hatte, ihn zu erreichen.
»Können wir uns treffen? Möglichst heute Abend noch.« Die Reporterin wirkte am Telefon ganz anders, als Buhle sie in Erinnerung hatte: deutlich nervöser und hektischer.
»Darf ich erfahren, in welcher Sache?«
»Ich habe vom Tod von Suzanne John-Altmüller erfahren.«
»Von wem?«
»Herr Buhle, ich bin Journalistin. Ich kannte Alexander Altmüller ganz gut. Ich …« Sobothy zögerte.
»Sie wissen, dass ich keine Informationen an Journalisten rausgeben darf …«
»Darum geht es nicht. Ich möchte Ihnen Informationen geben. Oder besser, ich möchte Ihnen von einem Gespräch mit Alexander berichten. Haben Sie Zeit?«
Buhle war verblüfft, dennoch zögerte er nur einen kurzen Moment, bis er fragte: »Ja. Wo sollen wir uns treffen?«
»Besser nicht öffentlich. Können Sie zu mir kommen?«
»Wo wohnen Sie?«
»In Trier-Süd, Im Nonnenfeld. Wissen Sie, wo das ist?«
Die Straße lag gleich um die Ecke von seiner Wohnung. Er ließ sich die Hausnummer geben und sagte zu, gleich zu kommen. Als er aufgelegt hatte, überlegte er, was dieser Anruf zu bedeuten hatte. Es war sehr ungewöhnlich, dass Journalisten Informationen an die Polizei weitergaben. In der Regel taten sie es öffentlich über Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen. Was hatte Hannah Sobothy von Altmüller erfahren, das sie dazu veranlasste? Buhle fuhr den Computer wieder runter. Bald würde er es wissen.
Als Buhle vor gut drei Jahren von Wittlich nach Trier gekommen war, schien es zunächst nur eine weitere Station auf seiner Reise durch die Polizeistädte in Rheinland-Pfalz zu sein. Nach seiner Ausbildungszeit in Ludwigshafen war er an keiner Dienststelle länger als drei bis vier Jahre geblieben. So hatte er auch bei der Wohnungssuche in der Moselstadt nicht viel Wert auf die Wohngegend gelegt. Es war reines Glück, dass er in Trier-Süd gelandet war, einem Stadtteil, der mit seiner vielschichtigen Bevölkerung und der lebendigen Saarstraße sicher eine hohe Lebensqualität hatte.
Doch gut zu leben war für Buhle damals zweitrangig gewesen. Er wollte seinem Beruf nachgehen und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Das schien ihm in dem relativ neuen Wohnkomplex hinter dem Finanzamt mit seiner kleinen Parkanlage, zu der seine Zwei-Zimmer-Wohnung ausgerichtet war, gut möglich. Seit einem halben Jahr hatte er jedoch ins Leben zurückgefunden. Bedauerte es, keinen Balkon zu haben, auf dem er sich an den warmen Abenden niederlassen konnte. Hatte stattdessen in der ersten Frühlingszeit öfter mit einem Buch auf einer der Mauern an den Pflanzbeeten gesessen, gelesen, beobachtet und nachgedacht. Im Hunsrück war er schon mehrere Traumschleifen gewandert, nachdem er die erste mit Marie zusammen gegangen war. Bereits im Februar hatte er seine engsten Kollegen zu einer Geburtstagsfeier in einem Restaurant am Kornmarkt eingeladen. Es war seine erste Geburtstagsfeier seit über zwei Jahrzehnten gewesen. Marie hatte damals keine Zeit gehabt; er glaubte, sie hatte eher den Kreis der Kollegen nicht stören wollen. Er überlegte und war sich nicht sicher, ob sie heute nicht aus anderen Gründen absagen würde.
Es waren nur ein paar hundert Meter zwischen seiner Wohnung und der Adresse, die Hannah Sobothy ihm genannt hatte. Direkt hinter der Kreuzung zur Kentenichstraße lag auf der linken Seite eine lang gezogene Reihenhaussiedlung. Die zweigeschossigen Häuser waren zumeist von ansprechender Breite, hatten ausgebaute Dachgeschosse mit den regionaltypischen kleinen Gaubenfenstern und boten so ausreichend Platz für ihre Bewohner. Das Haus von Hannah Sobothy war deutlich schmaler gebaut. Anders als bei den Nachbarhäusern war der Vorgarten nicht durch gepflasterte Stellplätze ersetzt worden, sondern bot auf beiden Seiten des Wegs ein vielfältiges Ensemble aus Stauden und Sommerblumen. Am auffälligsten war jedoch die altrosafarbene Fassade, die
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