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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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längere Pause. Als Buhle schon einhaken wollte, sprach sie weiter: »Zum Schluss hat er einen Namen genannt, auf den ich besonders aufpassen und bei dem ich auf jeden Fall einen Rückzieher machen sollte, wenn ich auf ihn treffen würde. Der Name ist: Sun Shiwen.«
    »Sun Shiwen?«
    »Ja, ich hatte den Namen vorher nie gehört. Thill hatte einmal durchblicken lassen, dass er potente Geldgeber aus Fernost an der Angel hätte. Aber konkret ist er nie geworden. Ich weiß nicht, wo Alexander diesen Namen herhatte.«
    »Und dann?«
    Hannah Sobothy sah Buhle in die Augen. Ihr Blick schien sich in seinen versenken zu wollen und gleichzeitig unendlich weit weg zu sein. Nach einer Weile flüsterte sie: »Und dann ist er verunglückt.« Bei dem letzten Wort schossen ihr die Tränen in die Augen, rannen ungehemmt über ihre Wangen und hinterließen dunkle Flecken auf dem grünen Kleid. Ihr Blick hing immer noch an dem von Buhle.
    Es dauerte mehr als zehn Minuten, bis sie sich wieder gefangen hatte. Buhle hatte ihr ein Papiertaschentuch aus dem Gästeklo gebracht und ansonsten ziemlich hilflos dagesessen. Weder wusste er, wie er die junge Frau beruhigen sollte, noch sah er sich in der Lage, das Gespräch wieder aufzunehmen. Es kam ihm unerträglich lange vor, bis ihre Tränenflut endlich verebbte und sie in sich versunken, aber ruhig auf dem Sessel kauerte. Schließlich gab er sich einen Ruck und fragte: »Haben Sie Alexander Altmüller nur … ich meine, waren Sie mit ihm nur beruflich verbunden, oder gab es da auch Privates zwischen Ihnen? Entschuldigen Sie, dass ich das so direkt frage.«
    Sie schüttelte den Kopf und antwortete tonlos: »Ich mochte Alexander als Kollegen, als Menschen. Es ist unter Journalisten nicht so häufig, dass man sich austauscht, zusammenarbeitet, wenn auch nur am Rande. Nein, es gab sonst nichts zwischen uns, keine Affäre oder so.« Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Buhle. »Wissen Sie, ich glaube nicht daran, dass es wirklich ein Unfall war. Spätestens jetzt nicht, wo seine Frau …« Ihre Augen zeigten jetzt deutlich, was sie wohl die ganze Zeit schon bewegt hatte. Sie hatte Angst.

19
    Merteskaul; Pfingstsonntag, 12.   Juni
    Paul Feilen saß auf seiner Bank auf der Terrasse. Es war still um ihn herum, herrlich still. Er war froh, dass die Sonne an diesem Sommertag früh hinter den Hügeln verschwunden war. Die Hitze war mittags unerträglich gewesen. Er hatte sich in die Stube gesetzt, die Rollläden heruntergelassen und den Fernseher angemacht. Wie immer kam nichts, was ihn wirklich interessierte. Nachdem er wieder aufgewacht war, hatte er den Tisch abgeräumt und in der Küche das Geschirr gespült. Dann hatte er sich ein Bier aus dem Keller geholt und war raus auf die Terrasse gegangen. Hier im Schatten des Hauses ließ es sich aushalten, zumal diese Polizisten heute früher Schluss gemacht hatten.
    Es sah seine Tochter von einem Spaziergang nach Hause kommen. Sie grüßte kurz, sprach ein paar belanglose Worte und ging in ihre Wohnung. Es war gut gewesen, dass Monika vor sechs Jahren in die Merteskaul zurückgekommen war. Sie hatte wohl die Hoffnung auf ein besseres Leben aufgegeben und gesehen, dass sie hier gebraucht wurde. Natürlich hatte er akzeptiert, dass sie in dem großen Haus ihre eigene Wohnung haben wollte. Manfred hatte damals vor seinem Unfall bereits mit dem Ausbau begonnen gehabt. Monika musste die Arbeit ihres Bruders nur zu Ende bringen, nachdem alles die ganzen Jahre ungenutzt dagelegen hatte.
    Aber dann war Monika doch nicht die Hilfe gewesen, die er für selbstverständlich gehalten hatte. Sie wusch seine Wäsche, machte manchmal sauber, hielt sich sonst aber weitgehend fern von ihm. Einmal hatte sie im Streit geschrien, sie sei seine Tochter und nicht seine Haushälterin. Er hatte darüber nachgedacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass er tatsächlich froh sein konnte, sie überhaupt wieder hier zu haben.
    Dabei hatte er das große Haus eigentlich nie gebraucht. Theresa hatte das so gewollt, für die Kinder. Es war nun schon achtzehn Jahre her, dass er seine Frau verloren hatte. Seitdem hatte er an jedem Tag dieses Rindvieh mit seinen spitzen Hörnern verflucht. Es war seine eigene Schuld gewesen. Er hatte sich geweigert, die Rinder zu enthornen. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, den Kälbern das Brenneisen aufzusetzen, sie zu verstümmeln. Letztendlich hatten die Tiere es ihm nicht gedankt. Hatten stattdessen Theresa aufgespießt, als die ihren

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