Kein Tod wie der andere
war. Dass er seinem Team Rückhalt und Führung geben und ihm gleichzeitig den Rücken freihalten musste. Für gewöhnlich gelang ihm das gut, wenn er sich wie früher ausschließlich auf den Fall fokussieren konnte.
Nach der Teamsitzung war Buhle mit Gerhardts in sein Büro gegangen. Sie wollten eine Liste mit Orten erstellen, wo Altmüller Sicherheitskopien seiner Unterlagen versteckt haben könnte. Als das Telefon klingelte, griff Buhle nach dem Hörer. Die Stimme von Marie riss ihn aus seinen Gedanken. »Hallo, Marie hier. Du hattest versucht, mich anzurufen?«
»Ja, hallo, schön, dass du dich meldest.« Buhle hatte sich in seinem Stuhl aufgerichtet, blickte Gerhardts an und formte mit seinen Lippen lautlos das Wort »Marie«. »Ich wollte wissen, wie es euch geht.« Als Gerhardts Anstalten machte zu gehen, winkte Buhle ab.
»Wenn ich ehrlich sein soll: Nicht so gut. Zoé hat sich immer noch nicht von der Sache mit der Schatzkiste erholt. Nora ist noch sauer und überträgt das jetzt auf mich, weil ich mich zwangsläufig mehr um Zoé kümmere als um sie. Mattis hat mir heute Morgen kleinlaut eine Fünf in Englisch zum Unterschreiben vorgelegt. Als ich was gesagt habe, hat er sofort gebockt, als ob es meine Schuld wäre, dass er sie nicht schon vorher gezeigt hat.« Marie stockte einen Moment. »Dabei hat er noch nicht einmal wirklich Unrecht, auch wenn es in diesem Fall nur vorgeschoben war. Na ja, von der Arbeit an der Uni ganz zu schweigen. Sabine – du erinnerst dich noch an Sabine Mayhold, meine Chefin? Sie war natürlich überhaupt nicht erbaut davon, dass ich schon wieder ausfalle, wegen ›so einer Sache‹, wie sie sich ausdrückte.«
Buhle kannte die Professorin Mayhold und wusste, dass sie eigentlich eine sehr angenehme Person war, aber in Uniangelegenheiten die Interessen ihres Lehrstuhls vor die persönlichen Angelegenheiten ihrer Mitarbeiterin stellte.
»Das Wichtigste aber war mein Termin im Jugendamt. So auf Anhieb haben die noch keine wirklich gute Lösung und wären froh, wenn Zoé zumindest übergangsweise bei mir bliebe, bis sich ihr Zustand stabilisiert und sich eine Pflegefamilie gefunden hat. Das sehe ich eigentlich genauso. Aber ich kann mich auch nicht teilen, verstehst du.«
»Ja, das ist sicher ein Problem. Können wir dir dabei irgendwie helfen?«
Es entstand ein kurzer Moment der Stille, ehe Marie weiterredete.
»Ich glaub nicht, außer dass ihr die Mörder fangt, die die Familie Altmüller ausmerzen wollen. Nein, ich werde versuchen, meine Schwiegermutter bei den Kindern einzubinden. Dann wäre es für uns sicher am besten, wenn Zoé bald eine Familie finden würde, die sie aufnimmt.« Etwas leiser und bedrückt fügte sie hinzu: »Wobei ich nicht weiß, wie es Zoé damit gehen würde. Aber nach der Sache mit der Schatzkiste ist es bei uns auch schwierig.«
»Du kommst an Zoé überhaupt nicht ran?«
»Fragst du als Polizist oder als Mensch?« Marie kontrollierte ihren leicht vorwurfsvollen Tonfall sofort wieder. »Ent… entschuldige, das wollte ich so nicht sagen.«
»Ist okay, du hast ja recht. Natürlich denke ich auch sofort daran, dass Zoé unsere einzige Zeugin sein könnte, die etwas zu dem Einbrecher und somit vielleicht zum Mörder ihrer Mutter sagen könnte. Aber es geht mir auch um ihre Person.«
»Ihr könnt nicht trennen. Klar, ich verstehe das. Ich habe es gestern lange bei ihr versucht. Nachdem wir ihr endlich diese Schatzkiste weggenommen hatten, war sie total in sich gekehrt. Sie hat kaum auf mich reagiert. Mit Worten ging gar nichts, und ich kann ja durch Druck schon überhaupt nichts bewegen. Wir haben dann irgendwann zusammen etwas gespielt, das sie von ihrer Freundin kannte. Das hat sie ein wenig geöffnet. Dann hat sie wieder gemalt. Diesmal beschäftigen sich die Bilder eindeutig mit dem Tod. Und zwar sieht es so aus, als ob sie sich irgendwie schuldig fühlt. Gerade gegenüber ihrer Schwester stellt sie sich groß und dunkel dar, und es sind auch die Schatzkiste und ein Geschenk dabei.«
»Ja, in ihrer Schatzkiste war ein Geschenk, das von Anne stammen könnte. Wir müssen da noch die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung abwarten.«
»Auf jeden Fall scheint sich Zoé in einem Zusammenhang mit dem Tod ihrer Schwester zu sehen. Ich habe aber keine Ahnung, warum.«
Es entstand wieder eine Pause.
»Was meinst du, wann wir Zoé sagen können, dass ihre Mutter auch tot ist?«
»Das ist schwierig. Ich weiß es nicht. Einerseits könnte
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