Kein Tod wie der andere
sagen kann, um das, was wir bereits wussten, zu bestätigen. Sie wusste, weswegen wir da waren. Sie kannte Suzanne Altmüller, und sie war in dem Zeitraum am Tatort, den die Gerichtsmediziner als Todeszeitpunkt ermittelt haben: zwischen sechzehn und achtzehn Uhr.« Gerhardts sagte dies mit größter Selbstverständlichkeit. Buhle wusste, dass er sich auf die Menschenkenntnis seines Kollegen fast immer verlassen konnte.
»Interessant war, wie sie reagiert hat, als ihre Arbeit ins Spiel kam. Da ist sie ja fast panisch geworden.« Bevor Buhle weiterreden konnte, klingelte das Telefon. Er schaltete die Freisprechanlage an.
»Hallo, Sven hier. Seid ihr schon auf dem Rückweg?«
»Ja, was gibt’s?«
»Hat diese Bonitzer gesagt, warum sie ein zweites Mal auf dem Parkplatz gehalten hat?«
Buhle und Gerhardts verschlug es zunächst die Sprache. Die nächste Einfahrt eines Waldweges nutzte Buhle, um die Fahrtrichtung zu wechseln. Gerhardts führte in der Zeit das Gespräch mit Tard fort.
»Wie kommt ihr darauf, dass sie ein zweites Mal dort gewesen sein sollte?«
»Wir haben zwischenzeitlich eine ganze Reihe weiterer Zeugenaussagen zu parkenden Autos erhalten. Daraus ergibt sich ziemlich glaubhaft, dass gegen halb fünf nur eine niederländische Urlauberfamilie auf dem Parkplatz rastete. Gegen siebzehn Uhr dreißig wurde aber wieder ein blauer C3 dort gesehen, von einem Mann aus Bollendorf. Der ist sich sehr sicher, weil seine Frau auch das Modell in der gleichen Farbe fährt.«
»Wir sind schon wieder auf dem Rückweg. Weißt du, wie lange Bonitzers Auto da stand?«
»Jo, um sechs war dort nur ein weißer Mercedes, mit einem Fahrer, dem es wohl nichts ausgemacht hatte, dass man ihm beim Pinkeln zusehen konnte. Wenn ihr mich fragt, würde sich an diesem Rastplatz ein Toilettenhäuschen durchaus lohnen. Fast alle Beobachtungen resultierten aus Pinkelpausen.«
»Bonitzer will dort auch gegen sechzehn Uhr angehalten haben, um in die Büsche zu gehen. Doch dann meinte sie, dass sie zurück zur Arbeit gefahren ist, in ein luxemburgisches Labor.« Gerhardts schaute fragend zu Buhle.
» Laboratoire National de Santé , meine ich. Also ein staatliches Gesundheitslabor.«
»Sven, hast du das verstanden? Schau nach, wo Bonitzer dort gearbeitet haben könnte, und gib uns gleich Bescheid. Sie macht dort ihre Doktorarbeit, irgendetwas mit Psychologie und Immunsystem.«
»Jo, mach ich. Bis gleich.« Tard beendete das Gespräch. Es herrschte einen Moment Ruhe im Auto.
»Hat uns unser Gefühl also nicht getäuscht.« Dass sich ihre Einschätzung bestätigte, schien Gerhardts nicht zufriedener zu machen. »Bin gespannt, was für eine Geschichte sie uns jetzt auftischen wird.«
»Aber sie machte mir nicht den Eindruck einer Gewaltverbrecherin. Im Gegenteil: Sie wirkte außerordentlich betrübt.«
»Vielleicht weil ihr bewusst geworden ist, dass sie jemanden umgebracht hat, vielleicht sogar unabsichtlich?«
Abwegig war die Vermutung seines Kollegen nicht. »Ich weiß nicht«, antwortete Buhle. »Lass uns abwarten, was sie dazu sagt, und nicht vorher spekulieren.«
Als sie sich wieder durch die engen Straßen der saarländischen Kleinstadt zwängten, kam der Rückruf von Tard. Er hatte herausgefunden, dass es innerhalb des staatlichen Gesundheitslabors in Luxemburg in einem Institut für Immunologie ein gemeinsames Graduiertenkolleg mit dem Fachbereich Psychologie der Uni Trier gab, in dem unter der Leitung eines Professors Robert Frantz Stressforschung betrieben wurde. Tard vermutete die Doktorandin Bonitzer in diesem Fachbereich.
Fünf Minuten später klingelte Buhle wieder am Haus der Familie. Gertrud Bonitzer zeigte sich erstaunt und besorgt ob der schnellen Rückkehr der beiden Kriminalbeamten. »Mein Mann ist zurück ins Büro gefahren.«
»Wir möchten mit Ihrer Tochter sprechen. Lassen Sie uns bitte rein, Frau Bonitzer.« Buhle hatte bestimmt gesprochen, dennoch blieb die Tür nur einen Spalt weit geöffnet.
»Meine Tochter hat sich wieder ins Bett gelegt, ich weiß nicht, ob es gut ist …«
»Frau Bonitzer, wir wissen, dass es nicht gut wäre, wenn Ihre Tochter uns jetzt nicht noch einige wichtige Fragen beantworten würde.«
»Aber …«
»Bitte!«
Gertrud Bonitzer öffnete zögerlich die Tür und führte Buhle und Gerhardts wieder in das Wohnzimmer. Anschließend wollte sie ihrer Tochter Bescheid geben, doch die beiden Beamten hörten, wie sie nebenbei auch mit ihrem Mann telefonierte. Zwei Minuten später
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