Kein Tod wie der andere
das?«
»Puh, keine Ahnung, vielleicht gegen vier Uhr.«
»Und Sie können –«
»Bevor Sie jetzt noch weiterfragen, sagen Sie uns endlich, um was es Ihnen hier geht«, unterbrach Nanettes Vater genervt.
Buhle schaute zu Franz Bonitzer und bemerkte, dass der korrekt gebundene Schlips vor dem blütenweißen Hemd nun schief zwischen dem Kragen hing. »Entschuldigen Sie, ich wollte nicht unhöflich sein.« Dann schaute er wieder zur Tochter und fand es erstaunlich, wie sie ohne Probleme seinem Blick standhielt. »Wir ermitteln in einem Todesfall. An der Sauer ist am vergangenen Donnerstag eine Frau tot aufgefunden worden. Ihr Auto wurde an einem Parkplatz südlich von Ralingen nahe dem Tatort gesehen. Sie werden verstehen, dass wir diesen Spuren nachgehen müssen.«
»Ja, natürlich«, sagte Franz Bonitzer mit einer gewissen Erleichterung, weil er offenbar sicher war, dass seine Tochter nichts mit einer solchen Tat zu tun hatte.
Buhle fixierte Nanette mit seinem Blick. »Sie haben dort auf dem Parkplatz nicht zufällig etwas bemerkt?«
»Nein, ich hatte ja schon gesagt, dass ich nur kurz in die Büsche bin. Und gerade in diesem Augenblick wurde mein Auto gesehen? Ich konnte mich ja kaum daran erinnern, dass ich dort überhaupt gehalten hatte.«
Plötzlich schlug Gertrud Bonitzer ihre rechte Hand vor den Mund. »Weißt du, was das bedeutet: Vielleicht war ein Mörder ganz in deiner Nähe, als du …« Der Mutter schien die Gefährlichkeit der Situation auch eine halbe Woche danach noch mächtig Angst einzuflößen.
Buhle sah Gerhardts an, der die ganze Zeit geschwiegen hatte. »Tja, dann waren wir wohl umsonst hier …«, begann er, als sein Kollege in eingeübter Manier in die Offensive ging.
»Frau Bonitzer«, Gerhardts Tonfall war bei Weitem nicht so höflich wie Buhles, »kennen Sie eine Suzanne John-Altmüller?«
Die Ruhe, die mit einem Schlag in dem Raum lag, resultierte daher, dass alle fünf Anwesenden die Luft angehalten hatten. Nanette Bonitzer saß bewegungslos in ihrem Sessel. Es dauerte sicherlich zehn Sekunden, bis sie antwortete: »Nein, ich kenne niemanden, der so heißt.«
»Vielleicht haben Sie die Person aber schon einmal gesehen?« Gerhardts holte ein Foto der Toten aus seiner Brieftasche und hielt es der jungen Frau vors Gesicht.
Nanette Bonitzer schüttelte langsam, aber lange den Kopf und starrte auf das Foto. Dann musste sie schlucken. Buhle sah, dass ihre Eltern, die ebenfalls Sicht auf das Bild hatten, es ihr gleichtaten. »Nein, ich habe diese Frau nie gesehen.«
»So, haben Sie jetzt Ihre Arbeit getan und können endlich gehen? Sie sehen doch, dass meine Tochter krank ist. Sie ist nicht umsonst heute zu Hause geblieben.« Franz Bonitzer hatte sich offenbar früher als seine Frauen gefangen.
»Ja, gleich. Sagen Sie uns bitte noch, wo Sie arbeiten, Frau Bonitzer. Auch wenn es nur Routine ist, aber wir müssen Ihre Aussage bei Ihrem Arbeitgeber überprüfen.« Buhle hatte sehr freundlich gesprochen. Umso mehr war er von der heftigen Reaktion überrascht.
»Nein, Sie können nicht … Ich meine, müssen Sie denn wirklich dort nachfragen?«
»Haben Sie etwa ein Problem damit?« Gerhardts hakte direkt nach.
»Nein, ja, es ist … ich weiß nicht, wie der Professor reagiert, wenn die Polizei … Geht das nicht auch anders?« Die Traurigkeit war aus ihren Augen gewichen. In ihnen spiegelte sich jetzt blankes Entsetzen, vielleicht sogar Angst. Buhle war sich nicht sicher, wie er es einordnen sollte.
»Wo und was arbeiten Sie denn?«
Es schien, als ob nur der Gedanke daran, dass die Polizei bei ihrem Arbeitgeber auftauchen könnte, Nanette Bonitzer völlig blockierte. Sie schwieg. Stattdessen antwortete ihr Vater: »Meine Tochter hat eine Postgraduiertenstelle im staatlichen Gesundheitslabor, dem Laboratoire National de Santé in Luxemburg-Stadt. Sie promoviert dort im Bereich der Psychoneuroimmunologie und beschäftigt sich mit den Zusammenhängen von Psyche, Nervensystem und Immunsystem. Ihr Professor ist sehr ambitioniert, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Ja, ich glaube schon. Wir werden so diskret wie möglich vorgehen. Gute Besserung, Frau Bonitzer.« Buhle war aufgestanden, und Gerhardts tat es ihm gleich.
Als die beiden Polizisten Merzig durchquert hatten und auf der B 51 wieder in Richtung Trier fuhren, waren sie sich schnell einig, dass die junge Frau Bonitzer alles andere als glaubwürdig war.
»Es kam mir vor, als ob sie jedes Mal genau abgewogen hat, was sie
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