Kein Tod wie der andere
kam sie zurück.
»Nanette wird gleich hochkommen. Darf ich fragen, warum Sie schon wieder da sind?«
»Das würden wir gern mit Ihrer Tochter besprechen. Wohnte Ihre Tochter eigentlich immer hier?« Buhle kannte die Antwort aus den Daten des Einwohnermeldeamtes, wollte aber mit der Mutter ins Gespräch kommen.
»Ja, natürlich. Wieso?«
»Nun, Ihre Tochter ist Mitte zwanzig. Da haben die meisten Kinder ihr Elternhaus bereits verlassen.«
»Nanette hatte noch nie das Bedürfnis, wegzuziehen. Sie hat hier alle Freiheiten und … durchaus Annehmlichkeiten.« Gertrud Bonitzer schien dies für selbstverständlich zu halten.
»Aber ist es nicht anstrengend, den weiten Weg nach Luxemburg zu pendeln?«
»Nein, so weit ist es auch nicht. Sie fährt nur eine Dreiviertelstunde. Die Alternative wäre eine Wohnung in Luxemburg-Stadt, aber das ist bei den Mietpreisen Blödsinn, wenn sie hier eine Wohnung umsonst hat.«
»Sie hat eine eigene Wohnung?«
»Ja, eine Einliegerwohnung im Souterrain.«
»Wo hat sie studiert?«, fragte Buhle.
»In Trier, und bevor Sie fragen: In der Zeit hat sie auch hier gewohnt.«
»Ist sie dann wegen ihrer Freunde hiergeblieben? Ich meine, das Studentenleben lebt man doch am besten vor Ort.« Gerhardts hatte wieder seine Rolle angenommen und nicht gerade freundlich gefragt.
»Nanette ist zum Studieren nach Trier gegangen, nicht, um um die Häuser zu ziehen. Und das war so auch sehr erfolgreich. Sonst hätte sie wohl kaum die Promotionsstelle bei Professor Frantz bekommen. Außerdem hat sie hier in Merzig alles, was sie braucht.« Gertrud Bonitzer war offensichtlich stolz auf ihre Tochter und reagierte mit Unverständnis auf die Zweifel an deren Lebensweg.
»Mama, was ist hier los?« Nanette Bonitzer war unbemerkt in den Raum getreten und hatte ihre Frage mit der Spur routinierter Aggressivität gestellt, die häufig bei Kindern mitschwingt, wenn sie über ihre Eltern genervt sind.
»Nichts, mein Kind. Die Polizisten haben noch weitere Fragen an dich.« Sie wandte sich wieder an Buhle und Gerhardts. »Setzen Sie sich bitte.«
Die junge Frau setzte sich in ihrem Hausanzug aus auberginefarbenem Fleecestoff und zog die Beine an ihren schmalen Körper. Sie erwiderte Buhles Blick wie schon zuvor. Was in ihr vorging, vermochte er nicht zu sagen. Sie wirkte zerbrechlich und introvertiert, aber er mochte auch nicht ausschließen, dass sie ganz anders sein konnte, als es gegenwärtig den Anschein hatte.
»Frau Bonitzer, wir hatten Sie vorhin zum vergangenen Donnerstag befragt. Leider haben Sie uns nicht die Wahrheit gesagt. Wir möchten Ihnen gern eine zweite Chance geben. Bitte.« Buhle hatte das Flackern in ihren Pupillen bemerkt. In der Stille danach spürte er allerdings, dass sie ihn gar nicht mehr wahrnahm, auch wenn ihre grünen Augen weiterhin auf ihn gerichtet waren.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Wir wissen es, Frau Bonitzer. Also, was haben Sie an diesem Donnerstagnachmittag wirklich gemacht? Sie waren doch nicht auf Spritztour unterwegs und haben sich die schöne Landschaft angeschaut.«
Im Wohnzimmer konnte man jetzt hören, wie die Haustür offensichtlich eilig aufgeschlossen wurde. Wenig später stürmte Franz Bonitzer in den Raum.
»Was zum Teufel machen Sie denn schon wieder hier?«
Als keiner der Polizisten antwortete, übernahm das seine Frau: »Die Polizei behauptet, Nanette hätte … nicht die Wahrheit gesagt, vorhin.«
Franz Bonitzer blickte wütend von einem zum anderen, dann polterte er los: »Was erlauben Sie sich, meiner Tochter zu unterstellen, sie würde Sie anlügen? Wie kommen Sie denn auf einen solchen Schwachsinn? Sehen Sie denn nicht, dass meine Tochter eigentlich im Bett liegen müsste, anstatt sich solche Frechheiten gefallen zu lassen? Nanette: Hast du den Herren noch irgendetwas mitzuteilen?«
Nanette Bonitzer hatte während der Schimpftiraden ihres Vaters keine Änderung ihrer Mimik gezeigt. Auch jetzt schüttelte sie nur langsam den Kopf.
»Also, Sie müssen sich täuschen. Jetzt verlassen Sie bitte unser Haus und jagen die richtigen Verbrecher. Das ist ja unglaublich.«
Bonitzer schien, erst einmal in Rage, sich nicht wieder beruhigen zu wollen. Doch damit erzielte er bei den beiden Kriminalbeamten und offensichtlich auch bei seiner Tochter keinerlei Wirkung. Buhle und Nanette Bonitzer schauten sich weiterhin regungslos an.
»Frau Bonitzer, wir haben Zeugen, die Ihr Auto später noch einmal auf dem Parkplatz gesehen haben. Bitte sagen Sie uns
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