Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Wasser?«
»Morgendliche Spaziergänge machen den Kopf klar. Und du?«
»Ich muss mir ein neues Zimmer suchen.«
Erstaunt sah ich ihn an. »Wieso willst du denn aus dem ›Seesteg‹ ausziehen?«
»Ich will nicht, ich muss. Ich hatte nur für drei Nächte gebucht und kann nicht verlängern, weil heute Abend die nächsten
Gäste kommen. Also muss ich entweder ein neues Zimmer finden, am Strand schlafen oder abreisen.«
Die dritte Möglichkeit gefiel mir nicht. »Aber wir sind doch noch gar nicht weitergekommen.« Fieberhaft überlegte ich. Dann
fiel mir erleichtert eine Lösung ein. »Wir haben noch was frei. Ein Gast reist heute ab, und das Zimmer ist nicht neu vermietet.
Du kannst bei uns in der Pension wohnen.«
»Wirklich?« David lächelte erfreut. »Das ist ja wunderbar. Dann hole ich mal meine Tasche aus dem ›Seesteg‹. Gehst du auch
in die Richtung?«
Ich nickte und zusammen setzten wir uns in Bewegung. Ich erteilte meiner inneren Stimme Redeverbot und lief schweigend neben
David auf der Promenade.
Kurz bevor ich abbiegen musste, sah ich auf einer BankJurek neben einer Frau sitzen. Sie trug eine Sonnenbrille und eine Schirmmütze, ich konnte sie nicht genau erkennen. Anscheinend
hatte er sich schnell über Gesas Abfuhr getröstet, es war ihm zu gönnen. Die beiden lachten laut, dann standen sie auf und
verabschiedeten sich mit kurzer Umarmung voneinander.
Ich blieb stehen und gab Jurek somit einen kleinen Vorsprung, er brauchte ja nicht gleich zu wissen, dass ich seine neue Flamme
gesehen hatte.
»David, ich muss hier runter«, sagte ich und verfolgte Jurek mit meinen Blicken, »wir sehen uns dann später.«
»Ja«, antwortete er und sah der Frau nach, die in die andere Richtung ging. »Was hat euer Hausmeister denn mit der Chefin
vom ›Seesteg‹ zu tun?«
»Die war das?« Verblüfft versuchte ich, noch etwas von ihr zu erkennen.
Er nickte. »Klar war sie das. Und die beiden sahen sehr vertraut aus. Stilles Wasser, euer Hausmeister.«
Nachdenklich verabschiedete ich mich von David und kehrte langsam zur Pension zurück. Das Ganze hatte nicht nach einem Bewerbungsgespräch
ausgesehen. Sollte mein Vater in Jureks Fall tatsächlich mal den richtigen Instinkt gehabt haben? Mir fielen die Zettel ein,
die Marleen geschrieben hatte. Ich würde Jurek nachher einfach fragen, was er mit meinem Geburtstag zu tun hätte. Ganz einfach.
Mein Vater saß noch in der Küche. Er redete gerade mit Gesa, die Teller in den Schrank stellte. Als er mich sah, setzte er
seine Brille auf und faltete eilig die Zeitung auseinander.
Gesa hob den Kopf. »Ist was passiert? Oder warum kommst du so spät?«
»Nein.« Ich starrte meinen Vater über die Zeitung hinweg an, was er ignorierte. Er bewegte sogar die Lippen beim Lesen, dieser
Schauspieler. »Ines hat gesagt, ihr schafft das auch einmal allein. Ging doch, oder?« Unentwegt fixierte ich meinen Vater,
er hielt es aus.
»Klar ging das.« Sie schloss mit Schwung die Schranktür. »In der Thermoskanne ist noch Kaffee.«
»Danke, ich habe genug«, sagte mein Vater, ohne aufzusehen.
»Du warst auch gar nicht gemeint, Heinz.« Gesa raffte die Geschirrhandtücher zusammen und lief zur Tür. »Ich habe mit Christine
geredet.«
Mit einem Kaffeebecher in der Hand setzte ich mich meinem Vater gegenüber.
»Ehefrau schnitt ihrem Mann die Beine ab.«
Ich hatte die Schlagzeile laut vorgelesen, mein Vater ließ die Zeitung sinken und sah mich erschrocken an.
»Wo?«
»Keine Ahnung. Der Rest steht genau im Knick. Was hast du dir bei dieser bescheuerten Mail gedacht?«
»Wobei?« Sein Gesicht war wieder hinter der Zeitung verschwunden.
»Papa!« Ich beugte mich vor und riss ihm die Zeitung aus der Hand. »Hör mal auf zu lesen, ich will wissen, warum du Johann
diesen Blödsinn geschrieben hast. Und warum du dich überhaupt an einen fremden Computer setzt. Wie bist du denn überhaupt
ins Programm gekommen?«
»Das hat Jurek mir gezeigt.« Umständlich legte er die Seiten zusammen. »Der kann nämlich alles. Er hat den Brief aber nicht
gelesen, falls dir das Sorgen macht. Er ist sehr diskret. Feiner Mensch.«
»Das ist mir im Moment ganz egal. Was ist in dich gefahren, dass du Johann schreibst? Sonst meckerst du nur an ihm rum, und
plötzlich soll er kommen? Was soll das?«
»Also gut.« Entschlossen schob er die Zeitung beiseite und faltete seine Hände auf dem Tisch. »Ich wollte mich eigentlich
nicht einmischen, aber ich kann
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