Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Geräte abstellen. Nicht, dass die Pension vom Blitz getroffen worden wäre. So etwas in der Art hatten wir ja
schon heute Morgen erlebt.
Ich wischte mit einem alten Lappen die Bank neben dem Eingang trocken, setzte mich hin und streckte die Beine aus. Die Sonne
schien mir genau ins Gesicht, ich schloss die Augen und dachte lächelnd: Alles wird gut.
Die Bank wippte hoch, als meine Schwester sich neben mich fallen ließ.
»Sonne«, sagte sie und legte den Kopf in den Nacken. »Das gibt es doch nur an der Nordsee: so ein Gewitter und nach einer
halben Stunde ist alles vorbei, und die Sonne scheint. Wie im Leben.«
Ich ließ die Augen geschlossen. »Schöner Satz. Reine Philosophie. Du wirst immer klüger.«
»Ja.« Ines stieß mich an. »Guck hin. Frau Stehler steigt ins Taxi. Möchtest du aufstehen und ihr nachwinken?«
Unter halb geschlossenen Lidern beobachtete ich den Taxifahrer, der ihre Koffer und Taschen verstaute, während sie sich mit
frostigem Gesichtsausdruck auf den Beifahrersitz setzte. Sie warf keinen Blick zurück, als sie losfuhren.
»Da fährt sie hin, die Eleonore. Nach diesem Waterloo.«
»Christine, du bist schadenfroh.« Der gut gelaunte Ton meiner Schwester ließ mich ahnen, dass sie es auch war. »Ich möchte
nicht in ihrer Haut stecken.«
Ich setzte mich gerade hin, um sie besser sehen zu können. »Sie ist selbst schuld. Und sie ist kein netter Mensch. Hätte sie
sich besser benommen, hätte ich vielleicht Mitleid. Aber so?«
Das Taxi entschwand um die Ecke.
Ich schloss die Augen erneut und gab mich der Erleichterung hin, dass sich fast alle Probleme gelöst hatten. Fast alle. Aber
der Rest würde sich bestimmt auch noch klären. Es waren kaum noch Wolken am Himmel, nur ein kleiner weißer fedriger Rest.
»Hast du Johann eigentlich mal nach dieser Gunilla gefragt?«
Ein kleiner weißer fedriger Rest. Mehr nicht. Das würde sich alles geben. Ich drehte den Kopf und sah Ines an. Die legte den
Kopf schief und wartete auf meine Antwort.
»Ja.« Ich richtete den Blick wieder nach vorn. »Sie ist eine Kollegin von ihm. Er spielt ab und zu Squash mit ihr.«
»Ach so.« Beiläufig platzierte Ines ihren Arm auf die Rückenlehne. »Er kann ja auch nicht jeden Abend schwedisches Fernsehen
gucken.«
»Genau.« Ich nickte langsam und sah in den Himmel. Er war mittlerweile ganz blau.
»Keine einzige Wolke mehr«, sagte Ines. »Nach so einem Gewitter. Es wird alles immer wieder gut. Sag ich doch.«
Ich spürte ihre Hand an meiner Schulter, griff nach ihr und drückte sie.
»Wir haben uns doch prima geschlagen, oder? Ich bin froh, dass du dabei warst.«
»Geschenkt.« Ines schlug ihre Beine übereinander und entzog mir ihre Hand. »Bedrückt dich wirklich nichts? Also, wegen Gunilla
und so?«
Ich horchte in mich hinein. Dann nickte ich.
»Sie ist nicht der Grund. Johann und ich müssen uns demnächst mal in Ruhe unterhalten. Du hattest recht, ich habe es zu lange
ausgesessen. Das muss sich ändern.«
»Gut. Und wenn was ist …«
»Hier sitzen sie herum.« Adelheid spähte entrüstet aus der Tür. »Könnt ihr eure Hintern mal hochkriegen? Nur weil Axel kocht,
wandern die Bestecke ja wohl nicht alleine auf die Tische. Aber mal zackig.«
Sie verschwand so schnell, wie sie erschienen war.
Ines stand langsam auf. »Da hast du es gehört. Du sitzt immer noch zu viel aus. Also dann, lass es uns angehen.«
Sie beugte sich vor und küsste mich auf den Scheitel. Dann schlenderte sie zum Haus.
Epilog
Es ist der kälteste Tag in Hamburg seit fünfzehn Jahren. Das habe ich vorhin in den Radionachrichten gehört. Minus acht Grad,
am 12. Januar. Gleich holt David Bruhn mich zum Essen ab. Ich laufe auf dicken Socken über den Holzboden und freue mich, dass die
Heizung so warm ist. Die neue Wohnung ist sowieso ein Glücksgriff gewesen. David hat mir den Tipp gegeben, einer seiner Redakteure
wollte ausziehen und suchte einen Nachmieter. Ich habe die Wohnung im November besichtigt … Liebe auf den ersten Blick.
Vier Wochen später bin ich eingezogen. Heute kann ich überhaupt nicht mehr verstehen, wie ich es in meiner alten Wohnung so
lange ausgehalten habe. Nur weil ich gewartet habe, dass Johann aus Schweden zurückkommen würde und wir zusammenziehen würden.
Völliger Unsinn. Johann hat seinen Schwedenaufenthalt um ein Jahr verlängert. Ich glaube, er passt besser nach Stockholm als
nach Hamburg. Wir haben uns Anfang Dezember gesehen, er hatte
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