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Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Avasthi
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Hände in die Hüften stemmt, so wie sie das vorhin im Buchladen getan hat. Auch wenn ich die beiden nicht sehen kann, weiß ich, dass sie sich jetzt beleidigt anschweigen.
    Warten.
    Warten.
    Schließlich gibt Christian nach. »Du hast eine tolle Familie. Ihr seid immer füreinander da.«
    »Dann erzähl mir doch von deiner. Deiner Familie.«
    Ich höre die Sprungfedern quietschen. Als Mirriam weiterspricht, kommt ihre Stimme von weiter unten, also ist sie diejenige, die sich aufs Bett gesetzt hat.
    »Erzähl mir etwas, irgendetwas von ihm.«
    Christians Stimme ist jetzt näher bei mir. »Er war ein typischer kleiner Bruder. Er war nervig und wollte immer bei allem mitmachen und … okay, an eine Sache erinnere ich mich. Einmal an Halloween …«
    Ach, die alte Geschichte. Ich war als Ritter verkleidet und er kaufte mir von seinem Taschengeld ein Schwert, weil unsere Mutter ein solch grausames Instrument in den Händen ihres Sohnes nicht dulden wollte. Paradox? Auf jeden Fall.
    Er erzählt ihr von dem Spukhaus in unserer Nachbarschaft und der Hexe, die dort wohnte (im Grunde einfach eine einsame Witwe, wie wir später herausfanden). An Halloween hängte sie Spinnweben über ihr Gartentor, versteckte heulende Geister in ihren Büschen und stellte einen Sarg mit einem herausspringenden Skelett neben ihre Tür. Aber sie verteilte Mr.-Goodbar-Schokoriegel, und zwar nicht die Minis, die ja der reinste Beschiss sind, sondern die echten. Diese Story haben wir oft abwechselnd erzählt, wenn Freunde da waren.
    »Wie auch immer«, fährt Christian fort, »es war ganz schön gruselig, also bin ich mit ihm gegangen. Einmal …«
    Ich war sechs und du warst elf , füge ich in Gedanken meinen Satz hinzu.
    »… hatte sich Paul, ein Freund von mir, als Skelett verkleidet. Er musste das Skelett der Witwe irgendwie weggeschafft haben und in den Sarg geklettert sein. Wir kommen also zur Tür und dieses Skelett springt auf und packt mich am Arm, mit festem Griff um mein Handgelenk. Paul fängt an zu ziehen, so stark, dass ich in den Sarg falle …«
    Und er schreit: »Jetzt hat dein letztes Stündlein geschlagen, Sterblicher!«
    »… ich bin total in Panik, nicht einfach nur erschrocken. Jace, der schon über jede Panik hinaus ist, stürzt sich auf den Sarg …«
    Und schwenke mein Schwert.
    »… und schwenkt sein Plastikschwert«, wiederholt er wie ein Echo und ich bin stolz auf meine neu entdeckten telepathischen Fähigkeiten. »Fängt an, auf dieses Skelett einzuschlagen, und schreit: Stirb!«
    Ich halte mir die Hand vor den Mund und kichere. Ich höre, wie er mit mir lacht. Auch wenn eine Wand zwischen uns ist, wir sind zusammen. Mirriams Lachen ist seltsam und schrill, fremd neben unserem Duo.
    Wir rannten alle drei davon, als die Witwe/Hexe kreischend aus dem Haus kam und fluchte, wo denn ihr Skelett geblieben sei. Christian hatte mich an der Hand gepackt und hinter sich hergezogen. Es gab eine Zeit, da hätte er mich nie zurückgelassen.
    »Er hat dich anscheinend ganz schön angehimmelt«, sagt Mirriam.
    Ich nehme den blauen Ärmel in die Hand, fahre mit den Fingern über die Manschette und denke an jenen Oktober zurück. Er war schon damals ein begeisterter Läufer, trainierte für seinen Traum vom Boston-Marathon, und ich konnte nicht mit ihm mithalten. Also habe ich mein Fahrrad genommen und bin neben ihm hergeradelt, Meile für Meile, jeden Morgen.
    Christian murmelt einen Spruch, den ich wiedererkenne, auch wenn ich nur ein paar Worte verstehe. Meine Mom sagte das immer zu ihm, wenn sie wollte, dass er mir mit gutem Beispiel voranging: Jeder Junge will so sein wie sein großer Bruder.
    »Was? Christian?«, fragt sie. Sie wartet. »Christian?«`
    »Ja.«
    »Wo bist du denn in Gedanken?«
    »Nirgends. Ich habe mich nur an das Skelett erinnert.« Seine Stimme ist leise, und ohne Luft zu holen, redet er weiter, nun wieder etwas lauter: »Was hältst du denn von ihm?«
    Diese Art zu sprechen, die verrät schon alles. Wenn uns jemand fragte, wie es denn unserer Mutter ging, nachdem sie gerade eine ordentliche Abreibung von meinem Dad bekommen hatte, redete er genauso. Seine Stimme wurde leise und hastig. »Gut geht’s ihr«, sagte er abwinkend und dann ging er schnell zu einem anderen Thema über, immer etwas Spektakulärem wie: »Wussten Sie, dass der Komet Sowieso bald zu sehen ist?«
    »Ich mache mir Sorgen um ihn«, sagt Mirriam. »Ich glaube, wenn du ihn nicht bleiben lässt, wird er wirklich auf Abwege

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