Kein zurueck mehr
zusammen und gießt dann den Pfannkuchenteig in die Pfanne. »Warum fängst du nicht schon mal mit deinen Hausaufgaben an?«
Ich sage, dass ich sie ungern mit all der Arbeit allein lasse, aber dass ich noch ein Referat schreiben muss. Als sie mich nach dem Thema fragt, gebe ich ihr eine kurze Zusammenfassung: ein fachübergreifendes Projekt, Geschichte und Tim O’Briens Roman Was sie trugen . Sie redet über die Vorzüge des interdisziplinären Unterrichts und ich denke an die Vorzüge einer guten Note.
Während sie redet, nimmt sie einen Messbecher und misst Teig für den nächsten Pfannkuchen ab. Ich sehe ihr gedankenverloren zu.
»Mirriam?«
»Ja?«
»Ich hab über Thanksgiving nachgedacht.« Ich zögere. »Christian hat gesagt, du hast engen Kontakt zu deiner Familie. Fährst du zu ihnen? Oder …«
»Meine Eltern sind in diesem Jahr verreist und wir planen ein großes Familientreffen zu Weihnachten. Ich bin also hier. Warum?«
»Ich würde irgendwie gerne was Besonderes daraus machen, weil Christian und ich in den Ferien endlich mal wieder zusammen sind. Ich hab überlegt, ob du mir vielleicht zeigen könntest, wie man einen Truthahn macht.«
»Klar doch, Jace.« Sie lächelt, wie eine Lehrerin das tut, wenn man eine Arbeit früher abgibt als nötig, ganz stolz und rührselig.
Ich runzele die Stirn und gehe zum Computer. Wenn man mal von den Momenten absieht, in denen Mirriam ihre Lehrerinnen-Masche fährt oder, noch schlimmer, die Muss-das-Kind-auf-die-rechte-Bahn-bringen-Masche, ist sie ganz okay. Sie hat mir sogar manchmal mehr ein Gefühl von Zuhause gegeben als Christian.
Bevor ich mit meinem Referat anfange, checke ich wie jeden Tag, ob Mom eine Mail geschrieben hat, und hoffe, dass ich keine Antwort von Lauren vorfinden werde. Ich atme erleichtert auf. Nur eine von Mom. Ich öffne die Mail und lese sie. In den viereinhalb Wochen, seit ich hier bin, sind ihre Mails immer kürzer geworden.
Sie entwickelten sich von:
Hier läuft alles gut. Ich spare immer noch das Geld, das ihr beide mir schickt. Was sagt Christian dazu, dass ich komme? Sag ihm, er soll mir mal schreiben. Wie ist deine neue Schule? Wie ist das Fußballteam?
Zu:
Ich kann es kaum erwarten, euch beide zu sehen. Was gibt es Neues von Christian? Hat er eine Freundin? Ich freu mich auf Thanksgiving.
Zu:
Mir geht’s gut. Macht euch keine Sorgen.
Es war typisch für sie, immer ruhiger zu werden, wenn sich zu Hause etwas zusammenbraute. Sie redete nie besonders viel, aber wenn sie die Anspannung meines Vaters spürte, verwandelte sich unser Dialog in ein Monologisieren von meiner Seite, nur um die Stille auszufüllen, um ihr irgendwie ein Lächeln zu entlocken.
Ich starre auf ihre letzte Mail: Macht euch keine Sorgen. Ich weiß, es ist fünf vor zwölf. Seine Zündschnur muss jetzt jeden Tag etwas kürzer werden. Ich versuche mir einzureden, dass ihre Einsilbigkeit nur auf die natürliche Halbwertszeit von E-Mails zurückzuführen ist. Schließlich sind meine E-Mails auch kürzer geworden. Keine langen Schilderungen der Leute mehr, die ich kennenlerne, keine Beteuerungen mehr, wie toll es hier ist und wie super Christian und ich uns vom ersten Tag an verstanden haben. Ich lüge auch, weil ich nicht möchte, dass sie sich Sorgen macht.
Die Tür hinter mir klickt; der Riegel wird zur Seite geschoben.
»Hi, Christian«, sage ich, ohne meinen Blick vom Bildschirm abzuwenden, als könnte ich ihre Worte so dazu bringen, sich zu vermehren.
Mirriam kommt aus der Küche und sie tauschen ihre Begrüßungsküsschen aus, während ich überlege, ob ich meiner Mom die längste E-Mail aller Zeiten schreiben soll, nur um meine Theorie von der Halbwertszeit zu widerlegen.
»Alles in Ordnung, mein Schatz?«, fragt sie.
Ich drehe mich um. Sie hat noch immer ihre Arme um ihn gelegt und sein Gesicht ist angespannt und blass.
»Ja, ja«, sagt er. Seine Stimme ist ungewöhnlich leise. Er räuspert sich.
»Bist du im Moment in der Notaufnahme? War’s schlimm heute?«
Er weicht ein Stück zurück, aber ihre Arme strecken sich nur länger. Er wirft mir einen Blick zu.
»Nichts, was ich nicht schon mal gesehen hätte.«
»Mirriam«, sage ich, »das Essen.«
»Ach ja.« Sie lässt ihn los und eilt in die Küche.
Er zieht seine Jacke aus und hängt sie auf. Dann kommt er zu mir herüber. Ich will ihn fragen, was passiert ist, aber ich merke, dass er auf den Bildschirm guckt, auf ihre Vier-Wort-Mail.
»Alles okay?«, frage ich.
»Ist die Mail
Weitere Kostenlose Bücher