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Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Avasthi
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Rasen.
    »Welches ist es?«
    »Dort.« Ich deute mit dem Kinn auf das Haus. »Das mit den Ziegeln.«
    Ich beobachte sein Gesicht. Kein plötzliches Zucken des Kiefers, kein wehmütiges Erinnern. Das geht nur mir so.
    »Kein Auto vor dem Haus«, sagt er, als ich weiterfahre.
    »Ich halte nach seinem Auto Ausschau. Du weißt schon, nur um ganz sicherzugehen.«
    Als ich auf das Haus zufahre, sehe ich unsere Straße hinunter. Die Ulmen mit ihren spitzen Ästen scheinen den grauen Himmel aufzuspannen wie einen Baldachin. Als ich langsamer werde, um zu parken, rutschen meine Reifen auf den Blättern aus, die unter dem Schnee liegen. Ich lasse den Motor absaufen und starre auf unser zweistöckiges Haus. Ich verstehe nicht, warum Orte, die wie Gift gewesen sind, plötzlich wie Balsam wirken können, nachdem man weg gewesen ist. Ich weiß nicht, warum ich beim Anblick der Hollywoodschaukel, die wir seit dem Einzug erst einmal benutzt haben, die Tür aufreißen und lauthals meine Rückkehr verkünden will.
    Christian beobachtet mich. »Alles in Ordnung?«
    »Klar. Bist du bereit?«
    »Klar«, sagt er, aber wir bleiben sitzen und starren auf das Haus.
    Ich höre ein Motorengeräusch näher kommen. Ich rutsche ein Stück nach unten, nur für den Fall, und sehe eine unbekannte blaue Limousine vorbeirasen. Ich lege meine Hand auf den Türgriff, aber ich ziehe noch nicht.
    »Wir können auch einfach wieder nach Hause fahren, wenn du willst. Es liegt ganz an dir«, sagt er.
    Aber was, wenn mein Dad weiß, dass sie ihn verlassen wollte? Was, wenn sie an irgendeiner Wand festgenagelt ist? Was, wenn sie nicht mehr atmet? Ich stoße die Autotür auf.
    »Warte«, sagt Christian und packt mich am Arm. »Bist du sicher, hundertprozentig sicher, dass er nicht zu Hause ist?«
    »Ja. Es ist doch bestimmt schon zehn.« Ich überprüfe meine Uhr und vergewissere mich, dass ich die Zeitverschiebung einkalkuliert habe. »Er geht um sieben Uhr dreißig zur Arbeit. Kommt um fünf Uhr dreißig zurück. Wir haben massig Zeit.«
    »Was, wenn er heute krank ist?«
    »Dann lass uns zuerst in die Garage gucken.«
    Er nickt und folgt mir um das Haus, vorbei an dem Pfeifenstrauch zur Garage. Wir spähen durch die Fenster und sehen den nackten Betonboden. Moms Auto ist auch nicht da.
    »Komm«, sage ich.
    Christian folgt zögerlich, als ich um das Haus herum, und die sechs Stufen zum Haupteingang hinaufgehe. Ich stecke meinen Schlüssel rein und höre, wie das Schloss klickt und sich öffnet. Ich muss an das letzte Mal denken, als ich hier war und an meinem Vater vorbei nach meinem Schlüsselbund schrie. Diesmal werde ich meine Mom an den Haaren hier rauszerren, wenn es sein muss.
    Es ist vollkommen still. Ich sehe mich im Flur um. Meine Klamotten – meine Jacke, Handschuhe, Mützen – sind weg. Mein Blick fällt auf den blauen Mantel meiner Mutter. Ich streiche über die Wolle.
    Christian will die Tür zumachen, aber ich schüttele den Kopf und er stößt sie wieder auf. Ich will einen schnellen Fluchtweg, falls er zu Hause ist und sein Auto in der Werkstatt oder so was.
    Ich trete ins Haus und lasse den Blick durch das Wohnzimmer in das Esszimmer schweifen. Hinter mir knarren die Eichenholzdielen unter Christians Gewicht. Mein Atem geht ganz flach und ich kann förmlich fühlen, wie das Adrenalin durch meinen Körper gepumpt wird. Wir teilen uns auf – er geht nach links ins Wohnzimmer und ich nach rechts. Aus Gewohnheit klopfe ich an die Arbeitszimmertür meines Dads. Leer. Überall liegen Aktenstapel. Eine Akte ist aufgeschlagen und sein Füller liegt auf der Seite. Ich betrachte den Ledersessel in der Ecke, wo ich immer meine Hausaufgaben gemacht habe.
    Das Leder quietscht unter mir, als ich mich hinsetze. Ich fahre mit den Fingern die Nähte des Kissens entlang und sie bleiben an etwas hängen. Zwischen Kissen und Armlehne hole ich Dads alte Geldscheinklammer hervor. Natürlich leer. Ich stecke sie ein. Es ist ja nicht wirklich stehlen; er wollte sie mir an meinem sechzehnten Geburtstag sowieso schenken, aber er hatte sie verloren. Ist es so falsch, etwas von ihm aufheben zu wollen?
    Ich führe meine Razzia fort. Im unteren Badezimmer, dem neben der Küche, sehe ich ein Glas mit Wattestäbchen, identisch mit dem, das ich an meinem letzten Abend zerbrochen habe. Ich starre es an, bis Christian sagt: »Sie ist nicht hier.«
    Ich fahre zusammen.
    »Hast du eine Ahnung, wo sie sein könnte?«, fragt er.
    »Soviel ich weiß, ist sie auf dem Weg nach

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