Kein zurueck mehr
Albuquerque.«
Endlich komme ich darauf, das Telefon zu benutzen. Ich wähle, spreche mit der Sekretärin: Ist Richter Witherspoon da? Er telefoniert gerade auf der anderen Leitung. Wollen Sie dranbleiben oder eine Nachricht auf Band hinterlassen? Ich entscheide mich für die Nachricht und dann lege ich auf.
»Ich schätze, wir haben sturmfreie Bude«, sage ich. Der schlechte Witz könnte von Dakota sein. Seine Arme entspannen sich allmählich.
»Komm«, sage ich und gehe zur Treppe.
Als wir die Stufen hinaufsteigen, bleibt Christian stehen und betrachtet die Fotos an den Wänden: meine Mom an ihrem Hochzeitstag (kaum zu glauben, wie jung sie waren); mein Dad mit ungefähr sieben Jahren, auf dem Rücken eines Ponys und mit Cowboystiefeln an den Füßen; ich mit fliegendem blonden Haar bei der Ausführung eines Kopfballs, der Fußball in der Luft; ein Schnappschuss von meiner Mutter am Strand, im Profil. Als wir die Treppe hochgehen, ist es, als würden wir durch die Jahre zurückgehen. Ich werde immer jünger – ich neben meinem Dad im Soldier-Field-Stadion, als ich ihm bis zur Schulter reichte; mit meiner Mom am See, als ich spindeldürr war, mir aber große Mühe gab, meinen Bizeps spielen zu lassen; bei der Mittelschule-Abschlussfeier, den violetten Hut in der Hand, das zugeknöpfte Mittelstufler-Lächeln auf den Lippen, um die Zahnspange zu verstecken; und mein breites Fünftklässler-Grinsen aus der Vor-Zahnspangen-Ära. Schließlich kommen wir zur Grundschule und Christian bleibt stehen. Er tippt mit der Hand auf den Rahmen.
»Das hab ich doch gemacht«, sagt er.
Es gibt kein einziges Bild von ihm an diesen Wänden.
»Mom hat einen ganzen Karton mit Bildern von dir im Keller«, sage ich.
»Ist schon okay«, sagt er.
Oben angekommen, gucke ich wieder nach vorn und gehe ins Schlafzimmer meiner Eltern. So eine Ordnung. Das Bett ist gemacht und daneben stehen die Hausschuhe meines Dads. Ich gehe zu ihrem Kleiderschrank und öffne die Tür. Alles hängt auf Bügeln. Abgesehen von ihren braunen Stiefeln stehen alle ihre Schuhe in Reih und Glied.
Im Badezimmer knie ich mich vor den Kosmetikschrank, reiße ihn auf und sehe die Tamponbox. Ich öffne sie: Ein Briefumschlag, prall gefüllt mit Dollarscheinen, klebt an der Innenseite.
»Sie ist nicht gefahren«, rufe ich.
Und Christian hatte recht: Ich war ein kompletter Idiot, mich auf sie zu verlassen. Meine Wangen beginnen zu glühen. Ich hätte wissen müssen, dass sie Hilfe brauchen würde, um hier rauszukommen. Ich setze mich aufs Bett und gucke aus dem Fenster.
»Zeigst du mir dein Zimmer?«, fragt Christian.
»Klar. Sorry, du hattest ja noch keine Hausführung.«
Wir gehen zum Ende des Flurs und stoßen die Tür zu meinem Zimmer auf. Ich bleibe stehen.
Es ist leer.
Die Matratze ist abgezogen und liegt nackt herum. Die Wände sind kahl und alles, was noch übrig ist, sind meine Möbel. Futsch sind meine Pokale, mein Beckham-Poster, das Bild von Lauren und mir im Brookfield Zoo. Selbst meine Cindy-Sherman-Drucke. Futsch. Ich suche nach irgendwas, das mir vertraut ist.
Es ist ja nicht so, dass ich hier wieder leben möchte oder so. Warum also fühlt sich diese Leere an wie ein Schlag ins Gesicht? Es ist, als würde ich nicht mehr existieren.
»Jace.« Christian legt seine Hand auf meine Schulter.
Ich schüttele sie ab, denn mir fällt etwas ein. Ich schiebe meine Hand zwischen Matratze und Sprungrahmen. Meine Finger treffen auf Stoff. Ich umklammere ihn und ziehe – meine Damen. Ich setze mich auf mein Bett und lasse sie in meine Hand fallen. Ally, Guinevere, die ganze Clique. Ihre geschnitzten Gesichter ewig unverändert, reglos und starr. Wenigstens kann ich die mitnehmen.
»Jace?«, sagt Christian.
»Ja.«
Christian setzt sich neben mich. »Hast du … hast du die gestohlen?«
Ich sehe ihm in die Augen. »Ja, aber ich mache das nicht mehr.«
»Warum lässt du sie dann nicht hier?«
»Nein«, sage ich und verberge sie vor ihm. »Diesmal kommen sie mit.«
Er seufzt und blickt sich um. »Tut mir leid wegen deinem Zimmer.«
Ich hole tief Luft und schäme mich dafür, wie sehr mein Atem bebt. »Ist ja eigentlich egal. Ist ja sowieso nicht mehr mein Zimmer.«
Kleine Regenbogen-Lichtstreifen beginnen durch das Zimmer zu kreisen.
»Was ist das? Das ist doch nicht etwa mein –«, fragt Christian.
»Doch, dein Prisma.« Ich stehe auf und ziehe es vom Fenster ab, wobei der Saugnapf ein lautes Schmatzgeräusch macht.
»Ich kann nicht glauben,
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