Kein zurueck mehr
stehen. Ich hol sie mir gleich. Ich bin gerade beim Kochen«, sage ich.
»Ich werde einfach …«, sagt er und ich höre einen Schlüssel im Schloss. Natürlich, er hat ja auch einen Schlüssel. Warum habe ich daran nicht gedacht?
Ich seufze, lege den Koriander hin und öffne die Tür, bevor er es kann. Eine Woge überheizter Luft schlägt mir aus dem Hausflur entgegen. Ich greife nach der Kamera, aber er lässt den Gurt nicht los.
»Ich wollte sagen, dass es mir leidtut«, sagt er. »Ich meine, dass es so kommen musste.«
»Was soll’s.«
»Und ich wollte dir das hier geben.« Er zieht einen Scheck aus der Hosentasche. »Das schulde ich dir noch von deinem letzten Gehalt.«
Ich habe meine Schecks auf sein Konto eingezahlt. Ich weiß auch nicht, wie er ausgerechnet hat, was meins ist und was seins.
»Gib ihn Mirriam – dafür, dass sie mich bei sich wohnen lässt.«
»Na ja, es ist viel Geld … wie lange willst du denn bleiben?« Er späht an mir vorbei in die Wohnung.
»Bis ich was anderes gefunden habe.«
»Kann ich reinkommen?«
»Ich werde Mirriam sagen, dass du reingeschaut hast«, sage ich.
»Nimm wenigstens den Scheck. Du wirst ihn als Kaution brauchen.«
Ich beginne die Tür zuzumachen, aber er drückt seine Handfläche dagegen.
»Nimm es«, sagt er. »Es gehört dir.«
Klar, gib mir einfach Geld, gib Mom Geld, erkaufe dir ein gutes Gewissen. Dann bist du bald abgebrannt. Ich nehme den Scheck, reiße ihn in der Mitte durch und lasse ihn auf den Boden fallen. Mirriam wird ihre eigenen Hausaufgaben machen müssen. Ich nehme meinen Rucksack und versuche aus der Tür zu kommen, aber jetzt stellt Christian sich mir in den Weg.
»Entschuldige«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Wo willst du hin?«
»Nach Siam.«
»Weißt du, was, Jace? Warum versuchst du nicht, mir ausnahmsweise mal die Wahrheit zu sagen?«
»Okay. Ich weiß auch noch nicht, wohin. Ich suche mir ein Zimmer in Albuquerque; ich behalte meinen Job; ich beende die Schule. Zufrieden? Und jetzt geh mir aus dem Weg«, sage ich.
Er stellt sich breitbeinig in die Tür, bereit zu allem.
»Christian, lass mich hier raus.«
Er rührt sich immer noch nicht von der Stelle, schiebt den Unterkiefer vor. Ich gehe zurück und setze mich auf den Futon. Er schließt die Tür hinter sich und ich muss daran denken, wie mein Dad immer die Fensterläden zugemacht hat. Aber heute wird mir keiner in den Arsch treten.
»Also gut, was ist?«, frage ich.
»Erklär mir die Sache.«
»Keine Chance«, sage ich.
»Also, wessen Mund ist hier zugenäht? Was? Ist da noch mehr? Ist da eine ganze Reihe von Ex-Freundinnen?«
»Nein.«
»War das das erste Mal?«
»Ja. Ist das Verhör jetzt zu Ende?«
»Verhör?« Seine Schultern sacken nach unten und er starrt auf seine Schuhe. Er muss sich ja an seine eigene »Nur nicht fragen«-Regel halten. Klar. Er kann ja nicht einfach über seinen Schatten springen, Gott bewahre!
Aber dann sieht er mir in die Augen und sagt: »Es ist höchste Zeit.«
Ich presse die Zähne aufeinander und starre ihn an. Draußen würde mir der Wind im Gesicht guttun. Draußen würde ich ins Auto einsteigen und losfahren. Ich würde nicht einmal mehr in den Rückspiegel gucken.
»Was willst du?«, frage ich.
Er steht einfach nur da.
»Nun?«, sage ich. »Mach endlich deinen Scheißmund auf!«
»Wie kann es angehen, dass du plötzlich auf mich sauer bist? Willst du mir wirklich weismachen, dass du dich an meiner Stelle darauf einlassen würdest, wieder mit einem Gewalttätigen zusammenzuleben – jetzt, da du endlich raus bist? Dass du es dir mit ihm bei einer Partie Rommé und einem Teller Sandwiches gemütlich machen würdest? Du bist derjenige, der seine Freundin verprügelt und es verschwiegen hat, um dich in meine Wohnung zu schleichen. Wie kommt es dann, dass du auf mich sauer bist?«
Ach, Mann, ich weiß es doch auch nicht. Vielleicht weil du so ein furchtbar verlässlicher Bruder bist? Könnte es vielleicht damit zusammenhängen, dass du mich sofort vor die Tür setzt, wenn dir etwas gegen den Strich geht?
In mir brodelt es, aber diesmal ist das Feuer heißer, als es das mit meinem Dad je war oder mit meiner Mom, ja selbst explosiver als mit Lauren. Ich kann nicht glauben, dass ich so lange versucht habe zu sein wie er. Was für eine Energieverschwendung. Ich stehe auf und er kommt so nah an mich heran, dass ich den Oolong-Tee riechen kann, den er zum Frühstück getrunken hat. Meine Hand ballt
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