Kein zurueck mehr
Fernseher, von dem ich nichts weiß? Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Ich streife meine Schuhe ab und gehe in ihr Schlafzimmer. Es ist nicht aufgeräumt; der Wäschekorb quillt über und auf der Kommode steht mehr Schnickschnack und Make-up herum, als ich je irgendwo gesehen habe: Bürsten liegen herum, ein Föhn mit mehreren verstreuten Aufsätzen, eine Puderdose, aus der das Schwämmchen herausguckt. Ich schalte den Fernseher ein und lasse mich von Werbespots und I Love Lucy berieseln, dieser uralten Sitcom in Schwarz-Weiß.
Durch die Wände höre ich Christian und Mirriam.
Bla, bla, bla, Jace! BLA, BLA, BLA.
Egal. Auf dem Fernseher liegen ein Paar Kopfhörer. Ich schließe sie an und drehe den Ton lauter.
Nach einer Weile taucht Mirriam in der Tür auf.
»Ihr sollt euch nicht meinetwegen streiten«, sage ich.
Sie sagt etwas, aber ich kann es nicht verstehen. Ich nehme die Kopfhörer ab. »Was?«
»Du hast uns nicht gehört?«
Ich wedele mit dem Kopfhörer.
»Danke, dass du nicht gelauscht hast«, sagt sie. »Wir haben uns nicht wirklich gestritten.«
Ich sehe sie stirnrunzelnd an.
»Ich meine, wir trennen uns deshalb nicht.«
Ich weiß nicht, warum sie überhaupt bei ihm bleiben will, aber ich bezweifle, dass ich die Frauen je wirklich verstehen werde.
»Hm, wenn es das ist, was du willst, freue ich mich für dich«, sage ich.
Ich setze die Kopfhörer wieder auf. Lucy jammert rum, weil Ricky Ricardo sie wieder einmal wie eine Vollidiotin behandelt, und ich höre mir die Lachkonserve an.
Kapitel 30
Als ich am nächsten Morgen aufwache, weiß ich nicht, wo ich bin, aber der Zitronenduft erinnert mich, dass ich nicht nebenan bin, dass ich wieder einmal rausgeschmissen wurde. Das Schlimmste ist, dass der einzige Mensch, zu dem ich gehen will, derselbe Mensch ist, der mich vor die Tür gesetzt hat. Ich kann nicht zurück, also habe ich keine andere Möglichkeit, als nach vorn zu gucken. Und um nach vorn zu gucken, darf ich nicht mehr an Christian denken.
Ich erhebe mich von Mirriams Futon und lege die Decke zusammen, die sie mir gestern Abend gegeben hat. Nachdem ich den Müllsack mit meinen Sachen durchwühlt habe, um meine Kamera zu finden, wird mir klar, dass ich sie bei Christian vergessen habe. Ganz toll. Für ungefähr zwei Sekunden erwäge ich, an seine Tür zu klopfen.
Ich werde Mirriam bitten, ihn danach zu fragen.
Ich ziehe meine Fußballshorts und das Trikot an. Es ist kalt zum Joggen, aber wenigstens komme ich raus. Die Wohnung fühlt sich überheizt an, genau wie mein Kopf. Ich spähe in Mirriams Schlafzimmer, aber sie schläft felsenfest. Ich lege ihr einen Zettel hin, schnappe mir den Schlüssel und gehe los.
Während ich renne, versuche ich, mir die Bilder von meiner Mom und dem Haus aus dem Kopf pusten zu lassen. Aber meine Hände sind so kalt, dass ich umkehren muss, bevor das Laufen viel gebracht hat. Eines Tages , sage ich zu mir, werde ich mein eigenes Zuhause haben und ich werde jeden Tag dahin zurückkehren. Keiner wird mir sagen können, dass ich da nicht mehr bleiben kann, und ich werde mich nicht nach irgendwelchen Regeln richten müssen, die jemand anderes aufgestellt hat.
Als ich zurück bin, kommt Mirriam gerade aus dem Schlafzimmer und blinzelt mich verschlafen an. Sie kann gar nicht glauben, wie lange sie geschlafen hat, und guckt ganz verlegen, als sie begreift, dass ich schon draußen war. Sie fragt mich, wie es mir geht. Ich antworte nicht, da ich nicht lügen und auch nicht näher darauf eingehen will.
»Jace?«, sagt sie, »du musst mir nicht antworten, okay? Aber vielleicht morgen.«
So weit kann ich noch gar nicht denken. Alles, woran ich denken kann, ist, wie ich mit den Schmerzen fertigwerde, die ich in diesem Augenblick habe.
Nach einer Dusche schlage ich vor, einen Kaffee und ein Omelett zu machen, während sie im Bad ist. Als Obdachloser könnte ich ein Pappschild aufstellen: SUCHE ZIMMER, BIETE KOCHKÜNSTE. Ich zerreiße gerade ein paar Korianderblätter für ein pikantes Omelett, als mich ein Klopfen an der Tür unterbricht. Christian, wer sonst. Ich versuche es mit der Tu-als-ob-niemand-zu-Hause-ist-Strategie.
Er pocht ein zweites Mal.
»Mirriam!« Seine Stimme klingt panisch. Er hat wahrscheinlich Angst, dass ich sie umgebracht habe oder so was.
»Sie ist unter der Dusche!«, rufe ich zurück.
»Mach die Tür auf, Jace. Ich hab was für dich.«
»Schieb es doch unter der Tür durch.«
»Es ist deine Kamera.«
»Dann lass sie draußen
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