Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Avasthi
Vom Netzwerk:
sich zur Faust und ich grabe meine Nägel in meine Handflächen.
    »Ich muss hier raus.« Ich mache einen Schritt zur Seite und er folgt mir, sein Gesicht dicht vor meinem. »Lass mich endlich raus, verdammt.«
    »Oder was? Willst du mich auch noch schlagen?«
    Er stachelt mich an, wie er es immer mit Dad gemacht hat. Provoziere ihn, bring es hinter dich, kontrolliere, was du noch kontrollieren kannst. Er steht so nah vor mir, dass ich mit Leichtigkeit zwei Schläge landen könnte, bevor er mit seinen langen Armen überhaupt ausgeholt hätte. Ich könnte mir einen Vorsprung verschaffen, ihn auf den Arsch befördern und ihm eine ordentliche Abreibung verpassen.
    Der Rauch steigt auf.
    Ich lege meinen Finger auf den Puls, schließe die Augen und versuche, auf meinen Atem zu hören. Ich kann mein Blut nicht einmal spüren. Alles, woran ich denken kann, ist dieses Prisma in meinem Fenster. Ich halte mir mit meiner eigenen Hand das eine Handgelenk fest. Ich bin nicht mein Vater.
    »Du wirst mir jetzt sagen, warum du so angepisst bist, denn du warst schon vom ersten Tag an so gereizt«, sagt Christian. »Ich hab dir Mirriam vom Leib gehalten, habe fast unsere Beziehung geopfert, damit du nicht darüber reden musstest. Mein Gott, Jace, ausgerechnet so was … Wenn ich gewusst hätte, dass ich die ganze Zeit einen Gewalttäter in Schutz nehme, schon wieder … Aber ich war dumm genug, hab dir genug vertraut, um nicht zu fragen. Nach alldem habe ich wirklich eine bessere Behandlung von dir verdient.«
    Backdraft.
    Die Wucht der Explosion macht mich ganz taub. Ich kann nicht einmal hören, wie ich ihn anbrülle, aber die Worte schießen aus meinem Mund.
    » Ich soll dich besser behandeln? Zwei Jahre, Christian. Zwei verdammte Jahre. Dieses Abschlusszeugnis von der New York University ist von vor zwei Jahren. Wo bist du danach gewesen? Und erzähl mir nicht wieder diesen Dad-hatte-dich-doch-noch-nie-geschlagen-deshalb-dachte-ich-du-würdest-klarkommen-Scheiß. Hast du dich je vergewissert? Ich meine, guter Gott, das wäre doch nicht so schwierig gewesen. Wir standen sogar im Scheißtelefonbuch. Er hat dich in New York fast umgebracht, und du hast keinen Gedanken an mich verschwendet? Ich hab deinen Namen hunderttausendmal gegoogelt; ich hab die White Pages im Internet durchforstet, Staat für Staat. Du hast mich einfach aus deinem Leben gestrichen und mich, ohne mit der Wimper zu zucken, meinem Schicksal überlassen. Ich meine, hast du mal überlegt, hast du überhaupt darüber nachgedacht, was für einen Unterschied es gemacht hätte, wenn du mich da rausgeholt hättest? Ich hatte noch nicht einmal Lauren kennengelernt, als du mit der Schule fertig warst.«
    Und in diesem Moment wird mir bewusst, in welcher Hinsicht ich meinem Vater am meisten gleiche: Ich mache jemand anderen für das verantwortlich, was ich getan habe.
    »Und jetzt machst du es noch mal? Du reißt mich hier heraus und ich bin wieder gearscht. Scheiß auf dich. Aber du musst wissen, Christian, dass ich dir so was nie angetan hätte. Du könntest einen Mord begehen und ich würde dir ein Alibi verschaffen. Ja, verdammt, ich würde den Kopf für dich hinhalten.«
    Ich hebe meine Hände und starre auf meine geöffneten Handflächen. Keine Fäuste mehr. Das war es. Das war mein Backdraft.
    Ich gehe zurück zur Couch und setze mich hin. Ich lasse meinen Kopf in meine Hände sinken und spüre den Puls durch meine Schläfen pochen. Ich zähle den Pulsschlag. Eins. Zwei. Drei … Als der Puls langsamer wird, hole ich einmal tief Luft und sehe auf.
    »Nur zu«, sagt er, »tu dir keinen Zwang an. Halt nur nicht mit deinen Gefühlen hinterm Berg.«
    Ein kurzes, bellendes Lachen entfährt mir.
    »Ich konnte nicht zurückgehen, selbst für dich nicht. Ich konnte nicht einmal an Dad oder Mom oder dieses Haus denken. Nichts davon. Ich hab die Vergangenheit einfach begraben und ja, dich habe ich mit begraben. Du hast recht, Jace. Für dich wäre alles anders gekommen.«
    Ich nehme mir ein rotes Sofakissen vom Futon und schlinge meine Arme darum.
    Mein Dad hatte immer irgendwelche Ausreden: Sie habe ihn provoziert; er habe einen harten Tag gehabt; wir hätten ja alle keine Ahnung, welchem Druck er ausgesetzt sei – die üblichen fadenscheinigen Ausreden. Und jetzt rede ich mich hier damit raus, dass ich so ein hartes Leben gehabt habe.
    Schließlich sage ich: »Nein. Dass ich Lauren zusammengeschlagen habe … das geht allein auf meine Kappe.«
    Christian atmet scharf ein

Weitere Kostenlose Bücher