Kein Zurueck nach Oxford
nicht, bis alle ihren Teller vor sich stehen hatten, sondern schlang eine Scheibe Parmaschinken hinunter, als hätte er tagelang nichts zu essen bekommen. Er kaute geräuschvoll, griff nach einer Spargelstange, tauchte sie in geschmolzene Butter und hob sie an die Lippen. Bedeutungsvoll sah er über die tropfende grünliche Spitze zu Kate hinüber und hob, für den Fall, dass sie nicht verstanden hatte, mehrmals die Augenbrauen. Kate seufzte und stach mit dem Löffel ein Stück reife Melone ab.
»Wissen Sie was, Katie? Ich verrate Ihnen jetzt gratis einen Fehler, den Sie in allen Ihren Büchern machen.«
»Und der wäre?« Sie legte den Löffel weg und trank einen Schluck Wein.
»Zu wenig Sex. Sie müssen etwas mehr Würze in Ihre Storys bringen. Die Leute wollen es so, und Sie sollten es ihnen zugestehen. Ihre Figuren sind steif und verklemmt. Die Frauen, über die Sie schreiben, sind nicht lebendig. Aber sie würden gleich viel glücklicher wirken, wenn sie … sie brauchen nur einen richtig guten …«
»Nicht jeder möchte solche Dinge lesen, Devlin«, rettete Aisling die Situation.
»Ich fürchte, Ihr Jackett steht schon wieder in Flammen«, sagte Kate und sah zu, wie Devlin mit erschrockenem Gesicht auf seinen Ärmel schlug. Jessie machte Anstalten, ihm ein weiteres Glas Wasser über den Ärmel zu schütten, doch er brachte sie gerade noch rechtzeitig davon ab.
Der Kellner schenkte Wein nach. Aisling nutzte die allgemeine Unruhe, um sich vorzubeugen und Devlins Glas mit der Hand zu bedecken. Der Kellner hielt inne. »Im Augenblick lieber nicht«, sagte sie. Welch mutige Frau, dachte Kate. Wenn Devlin etwas bemerkt, bringt er sie wahrscheinlich um.
»Ich glaube, ich bin nicht ganz einverstanden mit Ihrer Ansicht, Devlin. Ich meine den Sex. Die meisten von uns mögen Kates Bücher auch so.« Der Einwurf kam von Jessie Russell. Kate blickte sie mit neu erwachtem Interesse an. Diese Jessie schien über Intelligenz und Urteilsvermögen zu verfügen. Sie war etwas rundlicher als Joy und wirkte äußerlich weicher, doch ihre entschlossenen braunen Augen verrieten eine gewisse Härte. In ihrer Jugend musste sie sehr hübsch gewesen sein, und auch jetzt noch strahlte sie eine langsam dahinwelkende Schönheit aus. Wahrscheinlich wurde sie häufig unterschätzt. Kate lächelte sie an.
»Scheiß Landpomeranzen!«, schimpfte Devlin. »Langweilige Penner!« Glücklicherweise ging seine Bemerkung im Klappern der Teller unter. Der erste Gang wurde abgeräumt und der Hauptgang aufgetragen. Kate musterte die anderen Teller. Hatte sie die richtige, die beste, die leckerste Wahl getroffen? In ein plötzliches Schweigen hinein hörte man die Stimme von Bill Brent: »Natürlich lese ich keine Bücher!«
Devlin öffnete den Mund, wahrscheinlich um einen bissigen, wenn nicht bösartigen Kommentar loszuwerden, doch Kate kam ihm zuvor.
»Sie haben sicherlich wichtigere Dinge zu tun.«
Jim Russells sanfte Stimme mischte sich ein. »Ich fürchte, da entgeht Ihnen eine ganze Menge, Bill. Die moderne Literatur hat uns viel zu geben – zum Beispiel Einblicke in das Verhalten von Menschen oder in die Farbigkeit vergangener Zeiten und unbekannter Orte. Ich glaube, von einem guten Roman kann man mehr lernen als aus einem dicken Wälzer über Psychologie.«
»Keine Ahnung«, erwiderte Bill. »Ich habe keine Zeit für solchen Firlefanz.« Sein Gesicht war rot geworden. Er schwitzte. Du liebe Zeit!, dachte Kate. Noch so einer, der von Wein aggressiv wurde.
»Ich bin die Leseratte der Familie«, sagte Joy. »Als die Kinder noch klein waren, bin ich nur allzu gern in die Welt der Bücher entflohen. Sie war irgendwie mein Rettungsanker – ein Zeichen, dass die Welt mehr bot als die eigenen vier Wände.« Sie warf einen nervösen Seitenblick auf ihren Mann. Kate hatte den Eindruck, dass Joy jeden Moment einen lautstarken Ausbruch erwartete. Sahen so die Wonnen des Ehelebens aus?, fragte sie sich. Die Russells hingegen wirkten, als ob sie sich längst alles gesagt hätten, was zu sagen war; sie schienen sich vorgenommen zu haben, sich für den Rest ihres Lebens zu ignorieren.
»Ich bin der Ansicht, dass es dich als Frau erfüllt haben sollte, unsere Kinder großzuziehen. Was wollt ihr Frauen mit Büchern, Karriere und solchem Schwachsinn? Dafür habe ich kein Verständnis.« Hatte sie nicht erst kürzlich einen Brief ähnlichen Inhalts bekommen?, überlegte Kate.
Devlin lehnte sich über den Tisch und spießte einen besonders leckeren
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