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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Dirksen
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Namensgeber der Käfer zu Irakkriegs-Zeiten ihrer politischen Meinung Ausdruck verleihen wollten.«
    »Der Übervater der Namensgebung, Carl von Linné persönlich, hat auch einmal ein Tier nach einer Sagengestalt benannt, dem Gulon. Das Fantasiebiest ist eine Mischung aus Hyäne und Löwe und hat scharfe Klauen. Weißt du, von wem ich spreche?«
    »Nein.«
    »Ich spreche vom Phantom des Nordens, dem Gulo gulo . Klingelt es?«, frage ich Jörg.
    »Ein Vogel ist es nicht …«
    »Nein, es ist das verkannteste Tier Europas, der Vielfraß!«
Vom Hüpflaufen eines Phantoms
    Wie ein ungeschliffener Edelstein präsentiert sich die Wildnis Skandinaviens. In der rauen, von Fjorden und Hochgebirgen zerklüfteten Landschaft verbirgt sich eine atemberaubende Schönheit. Wenn das Licht auf Skandinavien herabfällt, die herbstlichen Dämmernebel die Landschaft durchfluten, wenn die Polarlichter den Himmel verzaubern, wenn der Halbschatten der Mitternachtssonne die Sinne berauscht, dann entpuppt sich der ungeschliffene Stein als klarer, funkelnder Diamant. Schaut man verzückt in ihn hinein, lässt sich von seinem lebendigen Funkeln leiten, dann entdeckt man in ihm noch aus den Zeiten des ewigen Eises eine verborgene, archaische Tierwelt von geheimnisvoller Kraft – allen voran der Vielfraß.
    Innerlich grummelt der Vielfraß. Eilig läuft er über den zugefrorenen Fluss. Er ist soeben von Moschusochsen verjagt worden. Er, der keine Angst hat, selbst Braunbären ihre Beute streitig zu machen. Aber dem Gehörn von Moschusochsen geht er doch lieber aus dem Weg. Hungrig ist er. An die Jungtiere der Moschusochsen war nicht heranzukommen, die Alten haben die Kleinen in ihre Mitte genommen. Nicht einmal an die verlockend duftende Nachgeburt eines frisch geborenen Kalbes haben sie ihn herangelassen. Er würde es später noch einmal versuchen. Das Ungemach des Bärenmarders, wie die Vielfraße auch genannt werden, ist noch nicht vorüber. Abgelenkt, wie er ist, läuft er geradewegs auf zwei Zweibeiner zu. Mit solchen hat er keine guten Erfahrungen gemacht. Nichts wie weg, sagt er sich und entfernt sich schleunigst mit seinem unverwechselbaren Hüpflaufen.
    Oliver Goetzl und Ivo Nörenberg bleiben stehen. Was ist das? Dichtes braun-schwarzes Fell, kurzer buschiger Schwanz, etwa einen Meter lang. Ein Vielfraß! Erst ein paar Schritte vor ihnen auf dem Eis bemerkt der erregte Vielfraß die beiden Tierfilmer. Wie vom Blitz getroffen weicht er zur Seite aus und hüpfläuft aufs Ufer zu, weg vom zugefrorenen Fluss. So plötzlich, wie er auftauchte, ist er schon wieder verschwunden. Wie ein Phantom, das nur ganz kurz aus dem Augenwinkel wahrgenommen werden kann.
    »Das glaube ich nicht, was ich da gerade gesehen habe!« Größer könnte die Überraschung kaum sein, als die beiden begreifen, dass ihnen soeben eines der scheuesten Wildtiere der Tundra und Taiga in die Arme gelaufen ist. Sie machen in rekordverdächtiger Geschwindigkeit die Kamera startklar. Zu spät, nur noch ein paar Schüsse aus der Ferne sind möglich, letztlich kaum verwertbar. Die beiden sind in heller Aufregung. Enttäuscht darüber, dass sie keine Chance hatten, den Vielfraß zu filmen, begeistert davon, überhaupt einen in freier Wildbahn gesehen zu haben.
    Die Moschusochsen sind noch in Aufruhr, scharren mit den Hufen. Sie toben sich mit ihrem Gehörn genau an dem Felsbrocken aus, den der Vielfraß zuvor markiert hat. Allmählich schalten sich die Kleinhirne von Ivo und Oliver wieder ein. Ist womöglich doch noch mehr drin? Der Vielfraß ist in Richtung der Europastraße entfleucht. Da will der bestimmt nicht hin. »Vielleicht kommt der zurück«, überlegen sie. So beschließen sie, sich hinter einer Felskante auf die Lauer zu legen. Und wirklich, 20 Minuten später ist er wieder da! Dieses Mal bemerkt er sie nicht. Der Wind steht günstig, der große Marder kann sie selbst mit seiner feinen Nase nicht wahrnehmen. Ihnen gelingen schöne Aufnahmen dieses argwöhnischen Tieres. Oliver und Ivo sind magisch berührt von dieser Begegnung. Einen kleinen Wermutstropfen haben die Aufnahmen dann doch: Der Bärenmarder trägt ein Halsband von Forschern. Zurück im Hotel erzählen sie ihre Geschichte den Norwegern. Ein Journalist aus dem 200 Kilometer entfernten Trondheim erfährt davon und kommt extra angereist. Am nächsten Tag finden sie ihr Erlebnis in einem halbseitigen Artikel einer großen norwegischen Tageszeitung wieder. Stück für Stück sickert in ihr Bewusstsein,

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