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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Dirksen
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haben, reichte auch so für einen Fünfundvierzigminüter. Ein dankbareres Tier zum Filmen konnten sie kaum finden, denn die Neugierde der Keas ist grenzenlos. Die haben sie mit ihrem Forscherdrang und ihrer Verspieltheit derart belästigt, dass es schon skurril war: Die Tiere haben ständig in sämtliche Fenster gespäht, wären liebend gerne in den Unimog gekommen, um alles genauestens zu untersuchen. Ein Experiment lief in etwa darauf hinaus, festzustellen, wie klein etwas zu zerrupfen ist. Die Kameraausrüstung durften sie nie unbeaufsichtigt draußen lassen. Abstand zu halten, um das natürliche Verhalten zu filmen, war fast unmöglich. Die Keas kamen sofort an, wenn sie die beiden entdeckt hatten. Die Schleifen ihrer Schnürsenkel haben sie geradezu inbrünstig aufgezogen. Und wenn sie mit dem berühmten Klappspaten losgingen, kamen sechs Keas mit ihnen mit, saßen im Kreis drum herum und verrenkten sich die Köpfe vor Neugierde. Es war zum Verrücktwerden mit den Viechern. Die haben die Schnabelspitzen auf den Lack gesetzt und sind dann gelaufen. Das ergab so einen ekeligen Quietscher, wie der Lehrer das in der Schule mit der Kreide auf der Wandtafel machen konnte. Das Auspuffrohr des Unimogs: Es gab nichts, wo sie ihre Köpfe nicht hineinsteckten – und zur Belustigung der beiden den ganzen Tag mit schwarzen Köpfen um sie herumflatterten. Die haben einen Quatsch gemacht, es war wunderschön zu filmen. Beim Nudelnkochen haben sie ihnen kopfunter durch das Fenster des Unimogs zugeschaut.
    Ihr Leben ist eine Aufforderung an jeden, der ihnen begegnet, mit ihnen Spaß zu haben. Für das Duo der Filmer artete es manchmal in groben Unfug aus. Die Keas hatten nichts Besseres zu tun, als mit ihren spitzen Schnäbeln die Wischergummis herauszuziehen und auf dem Dach des Unimogs sämtliche Dichtungen zu zerpflücken. Sie haben die Anwesenheit der beiden Männer als willkommene Abwechslung angesehen. Ernst Arendt und Hans Schweiger hätten es nicht für möglich gehalten, dass sie einmal fluchtartig wegen fortwährender Gummifledderei von Vögeln aus den Bergen fliehen würden. Sie mussten ins Tal, wo es keine Keas gibt, denn nur da konnten sie neue Dichtmasse in die Ritzen drücken und trocknen lassen.
    Ernst Arendt erzählt diese Geschichte mit einer gewissen Schadenfreude, die beim Zuschauer gut ankommt und zum Schmunzeln verführt. Der Film hat ihnen bestätigt, dass nicht nur grandiose Bilder gezeigt werden müssen, sondern dass auch die Geschichte, wie sie selbst die Natur erlebt haben, gut ankommt. Und was könnte da besser passen als die Sage vom Vogel in der Hand?
    Einmal, als sie sich ein wenig vom Nest des Mornells entfernen, hören sie gar nicht weit weg das Piepsen des Weibchens, das Kontakt zum brütenden Männchen aufnimmt. Es saß die ganze Zeit abseits, getarnt und bereit einzuschreiten, sollten die halben Rentiere für das Nest zu einer Gefahr werden. Brüten ist bei den Mornells reine Männerangelegenheit. Bei der Aufzucht hilft sie ihm nur gelegentlich. Ob die Männchen eine Ahnung davon haben, dass die Weibchen in ihrer Abwesenheit gerne in der Gegend herumstreunen und ihre Gene verteilen? Jetzt werden Sie sich fragen, ob Sie richtig verstanden haben, schließlich sind es die Männchen, denen dieses Verhalten im Tierreich nachgesagt wird. Mit Recht. Und doch bestätigen Ausnahmen immer wieder die Regel.
    Bei den Mornellregenpfeifern sind nämlich die Geschlechterrollen vertauscht. Im Brutgebiet finden sich zunächst Balzgruppen aus meist weniger als zehn Individuen zusammen. Die größeren Weibchen versuchen durch Scheinfluchten, Sich-Ducken oder durch Scheinbrüten die Aufmerksamkeit eines Männchens auf sich zu ziehen, um es aus der Balzgruppe fortzulocken und es an sich zu binden. Dabei kann es zwischen den Weibchen schon einmal zu kleinen Prügeleien um ein Männchen kommen. Findet sich ein Paar, sondert es sich von der Gruppe ab und besetzt ein Revier. Beide Elterntiere verteidigen es von nun an energisch. Der Rollentausch ist nicht nur sehr ungewöhnlich in der Vogelwelt, er geht sogar so weit, dass das Weibchen zwei oder sogar drei Männer zur Paarung verführt. Das Weibchen hat dann mit jedem dieser Männchen ein Nest und ein unabhängiges Gelege. Es beschäftigt so mehrere Männchen gleichzeitig. Die Logik dahinter ist verblüffend einfach: Das Weibchen kann auf diese Weise nicht nur die üblichen drei Nachkommen zeugen, sondern sechs oder gar neun. Der lose Zusammenhalt der Paare dauert

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