Keine Angst vor Anakondas
Vögel seine Körpertemperatur konstant gehalten hätte?«
»Nein, noch nie davon gehört.«
»Der Paläontologe James Farlow hat folgende Berechnungen aufgestellt: Ein ausgewachsener T. rex müsste im Jahr ganze 292 Anwälte von 68 Kilogramm verspeisen, um genügend Kalorien zu sich zu nehmen. Sollten die Donnerechsen jedoch kaltblütig gewesen sein, wären sie laut seiner Berechnungen mit lediglich 77 Anwälten ausgekommen.«
Ich lache. »Wissen, das die Welt nicht braucht! Findest du nicht auch, dass Tyrannosaurus rex ein genialer wissenschaftlicher Name ist?«
»Ja, auf jeden Fall. Den kennt schon jeder zehnjährige Junge. Neben Homo sapiens vielleicht der bekannteste wissenschaftliche Name«, sagt Jörg. »Was bedeutet eigentlich der Name der Großen Anakonda – Eunectes murinus? «
» Eunectes bedeutet ›Guter Schwimmer‹ und murinus ›grau‹«, antworte ich.
»Guter Schwimmer macht Sinn«, sagt Jörg, »aber grau?«
»Vielleicht hat Linné ein altes in Alkohol konserviertes Exemplar gehabt, bei dem das Grün eingetrübt war«, gebe ich zu bedenken.
Der schwedische Botaniker und Naturforscher Carl von Linné hatte allen zu seiner Zeit bekannten Pflanzen- und Tierarten einen vorn stehenden Gattungsnamen und einen dahinter stehenden Artnamen gegeben. Diesem gestaffelten Ordnungssystem, das auf der zwölften Auflage seines Hauptwerkes Systema Naturae von 1758 fußt, folgen die Biologen noch heute. Damit ist das Jahr 1758 quasi das Jahr null der wissenschaftlichen Namensgebung. Dabei werden generell die Gattungsnamen groß- und die Artnamen kleingeschrieben, und beide werden durch Kursivschrift gekennzeichnet. So schaffte er Ordnung in der schier unüberschaubaren Menge an Arten. In diesem System sind Arten mit demselben Gattungsnamen nahe verwandt, wie beispielsweise bei den Menschen Homo sapiens , Homo neandertaliensis , Homo erectus und Homo habilis . Von den vier Anakondaarten war ihm die Große Anakonda bereits bekannt.
»Abrakadabra und die Anakonda hat eine falsche Farbe im Namen. Hast du schon einmal etwas von Abra cadabra gehört?«, will Jörg wissen.
Ich schaue ihn verständnislos an.
»Das ist ein Käfer«, platzt es aus ihm heraus. » Abra ist der Gattungsname, cadabra der Artname!«
Jetzt bin ich wieder up to date. Jörg spielt auf die Fantasie einiger Beschreiber an, die manchmal zu sehr schrägen Stilblüten geführt hat. Immerhin musste bisher für 1,75 Millionen Arten ein Name gefunden werden. Drei Viertel der beschriebenen Arten sind Tiere, davon etwas mehr als 4 600 Säugetiere.
» La paloma ohé!«, antworte ich.
Jörg lacht, wie könnte es anders sein. Ihm ist die Motte mit dem urigen Namen La paloma bekannt.
»Schon mal etwas von der Wespe Panama canali gehört?«, fragt er.
»Nein. Gibt es die wirklich?«
»Ja! Ist doch gar nicht einmal so dumm, da weiß doch gleich jeder, wo die vorkommt.«
»Kennst du die Grabwespe Oxybelus cocacolae? «, fragt Jörg weiter, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. »Wer weiß, vielleicht fiel sie dem Entdecker der Art in sein Cola-Glas? Hm, oder könnte es sein, dass Coca Cola den Entdecker geschmiert hat?«
»Und – werden die Beatles es gemocht haben, dass der marine Wurm Greeffiella beatlei nach ihnen benannt wurde, weil die Härchen des Wurms angeblich an die Pilzköpfe der Beatles erinnert haben sollen?«, denke ich laut nach.
In der Tat ist es nicht selten, dass Personen mit wissenschaftlichen Namen geehrt werden. Früher bedienten sich die Beschreiber von neuen Arten fast nur bei Naturforschern, die sich in der Wissenschaft verdient gemacht hatten. Charles Darwin sind gleich mehrere neue Arten gewidmet worden, wie der Nasenfrosch Rhinoderma darwinii . Heute ist es gang und gäbe, auch Promis zu verewigen. Sowohl eine neu entdeckte Ameise als auch eine Spinne tragen beispielsweise den Artnamen harrisonfordi . Harrison Ford, der Darsteller von Indiana Jones und verwegener Abenteurer der Star-Wars-Trilogie, befindet sich in bester Gesellschaft: Eine Milbe erhielt den Namen Darthvaderum . Ob Michail Gorbatschow, Boris Becker, Mick Jagger, Freddie Mercury oder auch einmal einfach nur die geliebte Ehefrau, sie alle sind Namenspatrone aus Sympathie geworden.
»Kennst du Agathidium bushi , Agathidium cheneyi und Agathidium rumsfeldi? Das sind drei Schleimpilz-Käfer. Ich würde ja zu gerne die Gesichter der drei Herren sehen, falls sie von den Schleimpilz-Käfern erfahren. Sieht ganz danach aus, dass die beiden Beschreiber und
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