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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Dirksen
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und Ähnliches später ausgeschieden. Hast du schon einmal etwas vom Schicksal des Bärenfanatikers Timothy Treadwell und seiner tickenden Uhr gehört?«
    »Nein, was ist denn da passiert?«
Symphonie der Düfte
    Da ist es wieder, das nagende Gefühl, diese innere Stimme, die ihn jetzt schon seit Wochen begleitet. Er weiß genau, dass er ihr vertrauen muss. Sie begann mit einem Flüstern wie dem Plätschern eines kleinen Gebirgsbaches. Jetzt knurrt sie gewaltig, sie kommt ihm vor wie das Wüten eines Orkans tief in seinem Inneren. Er gibt sich dieser Stimme hin, von der er spürt, dass sie ihn leitet, dass sie sogar über sein Leben entscheidet. »Steh auf«, sagt sie, »gebrauche deine Sinne, bleibe nicht liegen, lasse dich von mir führen!«
    Konzentriert hebt er die Nase und saugt die Luft tief in sich hinein. Die Luft riecht würzig an diesem Oktobertag des Indian Summer. Unmengen winziger, aromatischer Duftmoleküle durchsetzen die Luft. Wabernd strömen sie an seinen Geruchsnerven vorbei. Die Flut an Informationen gleicht der Kakophonie eines abendlichen Insektenkonzertes, wie man es von einer sommerlichen Nacht am Mittelmeer kennt. Es ist ein Rauschen, in dem das romantisch stimulierende Gezirpe einer Grille genauso wie das nervtötende Gekreische einer Zikade in der Summe aller Geräusche vollkommen untergeht. Das Individuum scheint in der Masse zu verschwimmen. Für ihn aber erzeugt diese Flut eine bunte plastische Welt aus Gerüchen, in der er die einzelnen Moleküle erkennt und zu unterscheiden weiß.
    Im Sommer hatte er viel Zeit gehabt, diese schillernde Symphonie von Düften durch seine feine Nase schweben zu lassen. Nur ab und zu hatte sich diese Stimme gemeldet, die ihm jetzt so arg zusetzt, ihn peinigt. Und je lauter die Stimme ihn antreibt, desto schlechter wird seine Laune. Wenn sie einen gewissen Punkt unterschreitet, dann wird er sehr, sehr ungemütlich. Dann ist es besser, ihm nicht über den Weg zu laufen.
    Vor sich hin brummend, analysiert er die Gerüche in den tiefsten Windungen seines Gehirns und verwirft sie fast alle, da sie jetzt uninteressant für ihn sind. Er ist auf der Suche nach der Sorte von Duftstoffen, die ihm fette Beute verheißen.
    Er hat Hunger. Aber er ist nicht einfach nur hungrig, er ist mordsmäßig hungrig. Der Winter steht vor der Tür, und das Knurren in seinem Bauch, diese ewig fordernde Stimme, signalisiert ihm: fressen, fressen, Speck ansetzen. Wenn dann alles in tiefem Schnee versinkt, wird er sich in ein geschütztes Versteck zurückziehen. Er wird auf Sparflamme von seinem Fett zehren und den Winter entspannt vor sich hin dämmern. Dann kann er träumen von prallen Blaubeeren und einem sprudelnden Gebirgsfluss, der vor Lachsen nur so wimmelt.
    Doch vorher, solange er nicht genug Beute gemacht hat, wird er weiter einen Bärenhunger in seinem Leib mit sich herumtragen und verdammt schlechte Laune haben. Angesichts dieses knurrenden und brüllenden Hungers hätte er nichts dagegen, seinen Speisezettel zu erweitern. Sogar schwächere Artgenossen würde er anfallen, um die nagende, nach Speckschwarte brüllende Stimme zufriedenzustellen.
    Er hebt den Kopf, schnuppert wiederholt, nimmt etwas wahr in der spätherbstlichen Wildnis, das ihn hellwach werden lässt. Jener Bereich in seinem Gehirn, der für Gerüche zuständig ist, hat jetzt ein Maximum an Aktivität erreicht. Schnüffelnd, auf leisen Tatzen folgt er der Duftspur, die ihm willkommene Nahrung verheißt. Die Stimme ist jetzt ruhig, sie überlässt ihn ganz seiner Konzentration. Seine Laune, in Erwartung dessen, was er vorfinden wird, hebt sich.
Im Bannkreis von Mr. Chocolate
    »Ich würde für meine Grizzlys sterben!« Diesen verhängnisvollen Satz sprach Timothy Treadwell in die Kamera, und es war ihm verdammt ernst damit. Er gab diese Worte nicht etwa medienwirksam in einer Talkshow zum Besten, sondern sprach sie fast flehentlich in der Wildnis Alaskas, in den unendlich erscheinenden Weiten des Katmai-Nationalparks. Außer ihm gab es weit und breit keine Menschenseele. Er war fast immer alleine da draußen mit den Tieren und den Grizzlys, denen er sich mit Haut und Haar verschrieben hatte, denen er sein Leben widmete, die seinem Leben einen Sinn gaben. Er selbst hatte die Kamera auf dem Stativ befestigt, sie eingeschaltet, er war vor die Kamera gelaufen und drückte wieder einmal überschwänglich seine Gefühle für die Bären aus. Verniedlichend erhielten sie von ihm Namen wie Mickey, The Grinch, Sergeant

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