Keine Angst vor Anakondas
Vielfraße und erklärt ihnen die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Marder. Er hatte bereits ähnliche Beobachtungen gemacht, wenn auch mit weniger Tieren. Zu dritt setzen sie das Familienpuzzle zusammen.
Um die Fassungslosigkeit der drei Männer zu verstehen, muss man folgendes Zitat kennen: »Vielfraße verbringen ihr Leben als notorische Einzelgänger!« Das ist ein unumstößlicher Glaubenssatz, wenn es um Vielfraße geht, der einhellig in jeder Beschreibung über die Bärenmarder zu lesen ist, selbst in wissenschaftlichen Schriften. Diese Überzeugung ist so fest verankert wie der mittelalterliche Irrglaube, dass unsere Erde der Mittelpunkt der Welt sei, um die sich alles dreht. Die Beobachtungen von Oliver, Ivo und Antti stellen das Einzelgänger-Dogma auf den Kopf.
Ihr Film Wolverines – Hyenas of the North ( Finnland – Bären, Elche, Riesenmarder ) zeichnet ein ganz neues, konträres Bild vom Sozialverhalten der Marder. Diese einzigartigen Filmaufnahmen belegen etwas völlig Neues, selbst für erfahrene Freilandforscher: Drei Generationen Vielfraße an einem Ort, die einvernehmlich zusammenleben. Dies ist ein Beweis für Familienstrukturen, die über die Mutter-Kind-Bindung weit hinausgehen. Die Vielfraße leben im Clan, sind keine notorischen Einzelgänger. Sie werden entmystifiziert, dafür jedoch in ihrem wirklichen Wesen gezeigt.
Der Film schlug ein wie eine Bombe. 31 Filmpreise gewannen Ivo Nörenberg und Oliver Goetzl mit ihrer einzigartigen Dokumentation über das Phantom des Nordens – darunter den Jackson Hole Newcomer Award. Viele Kollegen, auch die von der BBC , beglückwünschten die beiden zu ihren einmaligen Aufnahmen. Ivo ist seitdem nicht mehr nur für Oliver einer der besten Tierfilm-Kameramänner überhaupt!
10
Die Story vom Bären und der tickenden Uhr
05:17 Uhr
Die heißschwüle Nacht neigt sich dem Ende entgegen. Ein erster Lichtschimmer erhellt den Horizont. Der Urwald erwacht zu neuem Leben. Vögel beginnen ihren morgendlichen Gesang. In der Ferne höre ich einen Specht hämmern. Papageien fliegen kreischend vorbei. Auch die Brüllaffen sind noch nicht zur Ruhe gekommen. Im nahen Fluss rudert ein größerer Fisch geräuschvoll an der Oberfläche. Ich fühle mich in diesem Moment der Welt enthoben. Eine tiefe Ruhe durchströmt mich, gerade wegen all des geräuschvollen Lebens um mich herum. Beglückt und berauscht von diesem Moment tief im Dschungel von Guyana, unendlich weit entfernt von meinem Alltag in Deutschland, wünsche ich mir, dass jeder Mensch diesen Zugang zur Schöpfung und dieses erhabene Naturerleben wenigstens einmal empfinden möge.
Jörg betrachtet das Prachtexemplar von Anakonda. »Die ist echt fett!«
Ich nicke und versuche es mal mit einer Hypothese: »Es ist möglich, dass sie trächtig ist. Die Anakonda ist ganz sicher ein Weibchen. Die Männchen bleiben viel kleiner, im Schnitt werden die nur um die drei Meter lang.«
Abschätzend schaut er sie an. »Sie könnte doch so dick sein, weil sie vor Kurzem große Beute gemacht hat.«
»Aber nicht in den letzten Tagen, denn dann würde der vordere Teil des Bauches wie ein verstopfter Gummischlauch aussehen«, entgegne ich.
»Oder wie ein fettes Gerinnsel in einer Hauptschlagader!«, kontert mein Kollege.
»Oder wie ein mit Wasser gefüllter Luftballon«, sage ich etwas lahm in Ermangelung guter Beispiele.
»Oder wie die Schlange in Der kleine Prinz , die sich den Elefanten einverleibt hat.«
»Wir hätten kein einziger Mann weniger sein dürfen, als wir sie gestern gefangen haben!«, wechsle ich das Thema. »Man sagt, dass man bei einer Länge von drei Metern pro zusätzlichem Meter Schlange einen Mann mehr dabeihaben soll.«
Mein Kollege denkt nach und fragt dann: »Kennst du jemanden, der von einer Riesenschlange getötet und womöglich sogar gefressen wurde?«
»Nicht persönlich«, sage ich, »aber es sind schon einige Leute, die Anakondas oder Pythons gepflegt haben, von ihren Schlangen getötet worden. Das ist fast immer beim Füttern passiert oder wenn der Pfleger zuvor Futtertiere angefasst hatte. Ich kenne nur sehr wenige Fälle wilder Schlangen, bei denen Menschen in einem Stück und in voller Montur verschlungen wurden.«
»Hm, kein schönes Ende! Mit ihrer starken Magensäure lösen sie doch die Knochen ihrer Beute auf. Aber was ist mit den Kleidern und Schuhen?«
»Das hängt vom Material ab. Leder und natürliche Stoffe werden sicherlich verdaut, Knöpfe, Schmuck, Gürtelschnallen
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