Keine Frage des Geschmacks
Kilo bekommen wir jährlich, kein anderer Abnehmer erreicht diese Menge. Aber jetzt kann ich dir leider nur noch Fotografien vom Rohprodukt zeigen.« Er blätterte in seinen Unterlagen und zeigte Laurenti die Aufnahme eines kleinen, haarigen Tierchens, dessen buschiger Schwanz in etwa der Länge seines Körpers entsprach. »›Kopi‹ ist indonesisch und bedeutet Kaffee, und ›Luwak‹ steht für den Paradoxurus hermaphroditus, eine in Südostasien verbreitete Schleichkatzenart, auch Fleckenmusanggenannt. Hermaphroditus wegen der hodenähnlichen Duftdrüse, die beide Geschlechter unterhalb des Schwanzes haben. Nachtaktiv sind sie und ganz verliebt in die überreifen Kaffeekirschen, die sie wegen des süßen roten Fruchtfleischs von den Bäumen stehlen und dann die unverdauten Steine ausscheiden, in denen sich die Kaffeebohnen befinden. Die werden durch die Verdauungsenzyme der Tiere veredelt, die Fermentation gibt ihnen dieses einzigartige Aroma. Und wenn sie ausgeschieden werden, dann kleben diese Steine schön zusammen und sehen beinahe aus wie ein Vollkorn-Knusperriegel. Die Hauptproduktion kommt aus Java, Sumatra und Sulawesi.«
»Katzenkacke? Meine Leute brauchen gute Abzüge dieser Bilder, Nicola. Sonst wissen sie nicht, wonach sie suchen müssen. Bei Kaffee denkt schließlich keiner an Tierkot.« Nachdenklich roch Laurenti an seiner Tasse und nahm stirnrunzelnd einen weiteren Schluck. Das Zeug war gut, doch tausend Euro das Kilo? In Triest gab es eine Menge berühmter Röstereien, auf deren Produkte man sich blind verlassen konnte, sofern bei ihrer Zubereitung nicht gepfuscht wurde. Und er persönlich hatte die professionelle Espressomaschine bezahlt, die in seinem Kommissariat stand und um die seine Abteilung von den Kollegen im Polizeipräsidium beneidet wurde, die sich mit der hauseigenen Bar im Untergeschoss begnügen mussten.
»Abtransportiert haben sie das Zeug auf jeden Fall im Schutz der Dunkelheit mit dem Aufzug. Die Spuren sind eindeutig. Und unten hat vermutlich ein Lieferwagen gewartet. Oder sie hatten ein flaches Boot. So schwer beladen schaffen sie es auch unter der niedrigen Brücke hindurch.«
»Schade, dass die Stadtverwaltung ausgerechnet hier noch keine Überwachungskamera installiert hat. Sie sind wie immer mit allem im Verzug. Weshalb lagerst du eigentlich die Ware hier?«, fragte Laurenti und schaute sich in den weitläufigen,mit rotbraunem Tropenholz getäfelten Büroräumen um. »Du hast doch diesen enormen Speicher am Molo VII im Kaffeehafen.«
»Sicherheitsgründe. Die exklusiven Spitzenprodukte halten wir hier unter Verschluss, wo sie nur wenigen zugänglich sind. Abgesehen von dem halben Zentner ›Kopi Luwak‹, der erst vor vier Tagen eintraf, fehlen zwei Holzfässer à dreißig Kilogramm der Sorte ›Jamaica Blue Mountain‹. Ferner ein Sack ›Hawaii Captain Cook‹ sowie ›Tansania Peaberry‹, der an den Hängen des Kilimandscharo wächst. Alles absolute Raritäten. Der finanzielle Wert beläuft sich auf etwa einhunderttausend Euro, dafür ist der indirekte Schaden gigantisch, denn wir sind eines der wenigen Unternehmen, das diese Spezialitäten führt. Täglich treffen Anfragen aus der ganzen Welt ein, und die gestohlene Ware deckte fast unser gesamtes Jahreskontingent.«
»Der Einbrecher oder sein Auftraggeber kennt sich also bestens aus. Wer weiß außer deinen Mitarbeitern noch davon?«
»Gott und die Welt. Angefangen beim jeweiligen Exporteur und der dortigen Ausfuhrbehörde, unser Zoll natürlich, die Begleitpapiere sind eindeutig. Ferner die Transportversicherung und der Spediteur. Dann auch die Kunden auf der Warteliste, die selbstverständlich über die Lieferbarkeit unterrichtet und zur Vorkasse aufgefordert wurden. Und letztendlich kann man es auch unserer Website entnehmen. Für meine Leute lege ich aber die Hand ins Feuer.« Zadar lächelte, als er Laurentis Stirnfalten sah. »Keine Sorge, ich weiß, dass ihr Polizisten grundsätzlich mit dem Naheliegendsten beginnt. Doch die Zeit dafür kannst du dir sparen.« Trotzdem wusste er, dass Laurentis Beamte den Betriebsablauf in den nächsten Tagen ordentlich stören würden.
»Und wer sind die Kunden für solche Kostbarkeiten?«
»Alles, was Snob und Namen hat.« Zadar zählte ein paarNamen auf, von Dagobert Duck über James Bond, Majestix bis Doktor No, es fehlte so gut wie keiner.
Berühmte Leute aus der Welt der Wirtschaft, Mode, Werbung und des Films – natürlich auch neureiche Russen, deren
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