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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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griff er zum Telefon.
    »Hör gut zu, Zecke«, blaffte Gazza sogleich los. »Sechzig Prozent von den hunderttausend gehen an mich.«
    »Wechsle deinen Pusher, Qualle. Wovon sprichst du?« Aurelio lachte.
    »Miete. Wenn du meinst, du könntest meine Adresse nutzen, ohne dafür zu bezahlen, hast du dich getäuscht.«
    Auf der anderen Seite blieb es einen Moment still. Aurelio hatte begriffen. Abstreiten führte zu nichts. »Ich hatte ja ganz vergessen, dass du keinen Sinn für Humor hast. Aber du bist schneller drauf gekommen, als ich dachte. Complimenti! Ich lade dich zum Aperitif ein, dann sind wir quitt.«
    »Sechzigtausend. Oder ich lass dich hochgehen. Du kannst von Glück reden, dass ich es nicht schon getan habe.«
    »Vergiss es, Dicker. Denken war noch nie deine Stärke. Wer hat dir denn auf die Sprünge geholfen?«
    »Hier liegt Post für dich. Das Antwortschreiben. Von einem englischen Rechtsanwalt. Der Inhalt spricht für sich.«
    »Warum bringst du es nicht vorbei? Du glaubst doch nicht, dass ich zu dir komme!«
    »Du kannst sicher sein, dass ich dich heimsuche, du Armleuchter. Weiß dein Vater eigentlich, was für ein Trottel du bist? Ich rate dir, heute Nachmittag zu Hause zu sein. Ich komme kein zweites Mal.« Gazza hatte aufgelegt, bevor Aurelio antworten konnte.
    Dann wählte er die Nummer der Redaktion des »Piccolo« in Triest und ließ sich mit dem Abteilungsleiter der Stadtchronik verbinden, doch kam er nicht über das Sekretariat hinaus. Er drohte mit dem Anwalt, sollte sein Name anderntags in der Zeitung stehen, ohne dass er vorher dazu gehört wurde. Die gleiche Nachricht hinterließ er beim »Messaggero Veneto« und beim »Gazzettino«. Er warf einen Blick auf die Uhr und entschied, sofort nach Triest zu fahren.
     
    Dünne Rauchschwaden schwebten in dem Sonnenstrahl, der durch ein schmales Fenster in den Raum fiel. Hanteln und Gewichte lagerten in Aufhängungen, unter einer Sprossenleiter stand eine Rudermaschine und daneben die Kraftstation, die zu Gazzas Folterbank geworden war. An der einzig freien Stelle an der Wand lagerten einige Jutesäcke und Holzfässer. Auf dem obersten stand »Hawaii Captain Cook«.
    Es stank infernalisch nach Gazzas abgefackeltem Brusthaar, seine Handgelenke waren mit zwei Plastikschlaufen an die Maschine gefesselt, während eine vierzig Kilo schwere Hantel die Beine blockierte. Reste seiner Körperbehaarung waren als schwarze Kügelchen auf der rosafarbenen Haut zurückgeblieben. Beinahe hätte sogar sein Bart Feuer gefangen. Aurelio hatte die Flämmchen auf Gazzas Brust durch harte Hiebe mit einem Handtuch gelöscht. Gazza schlotterte und rang japsend nach Atem.
    Aurelio riss das Fenster auf, mit dem Straßenlärm drang heiße Sommerluft herein. »Also, wo ist die Post?«
    Gazza hob die Augenbrauen. »Such sie doch, Zecke.«
    Aurelio ging hinaus und kam wenig später mit dem Briefumschlagin der Hand zurück, der dem Dicken beim Sturz entglitten war. Er setzte sich auf eine Streckbank und überflog den Artikel im »Independent«, dann las er das Schreiben des Anwalts. Belustigt zuckten seine Mundwinkel, als er die Fotoabzüge durchblätterte, dann blickte er den in sich zusammengesunkenen Fleischkloß auf der Kraftmaschine an.
    »Was bist du doch für ein mieses Schwein«, sagte er schließlich. »Da hast du mich also belauert und heimlich diese Fotos von mir und der Engländerin gemacht. Und dann hast du dir inbrünstig deinen miesen Schwanz massiert. Wenn du’s wenigstens dabei belassen hättest. Arme Jeanette. Aber sie weiß sich zu helfen, wie ich sehe. Du sitzt bis zum Hals in der Scheiße, Qualle. Mach dich darauf gefasst, dass du noch von einem anderen Anwalt ein Schreiben bekommst. Von meinem. Mit gleichem Inhalt.«
    »Drecksack«, zischte Gazza. »Damit kommst du nicht durch.«
    »Pass auf, Dicker. Wenn du mir erzählst, wie du zu diesem Material gekommen bist, kannst du deine Lage etwas verbessern, obgleich du es eigentlich nicht verdienst.« Er löste die Fesseln um Gazzas Handgelenke und trat zwei Schritte zurück. Angeschossene Raubtiere waren gefährlich. »Also, raus mit der Sprache.«
     
    Das zerfetzte Hemd bedeckte seinen versengten Oberkörper nur halb, als Gazza schließlich aus der Wohnung humpelte. Er hatte versprochen, noch am gleichen Nachmittag Kontakt zu der Journalistin aufzunehmen und sie aus dem Hotel zu locken.
    Aurelio wollte sie sehen. Er musste wissen, mit wem er es zu tun hatte. Und obwohl Aurelio bereute, in seinem Übermut Lele

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