Keine Frage des Geschmacks
er mit Hingabe seinen eigenen Gemüsegarten pflegte und dessen Zutritt er außer seiner Großmutter allen eindringlich untersagt hatte. Marco machte zu Laurentis Zufriedenheit gute Fortschritte in seiner Ausbildung zum Koch im Scabar, Triests berühmtestem Restaurant, und würde es in ein paar Jahren ganz sicher zu einem renommierten Küchenchef bringen.Eine harte Schule zwar, nichts für verzogene Muttersöhnchen, aber eine optimale Referenz.
Ungelernte Männer aus dem Kosovo hatte das Bauunternehmen geschickt, für das man sich auf Rat des befreundeten Architekten hin entschieden hatte, der sich dann plötzlich seltsam rar machte. Ganz abgesehen davon, dass der Preis mehr als doppelt so hoch war als jener, den Proteo und Laura sich vorgestellt hatten, zahlten sie teures Lehrgeld. Warum nur hatte ihnen niemand geraten, in den Vertrag mit der Baufirma aufzunehmen, dass keine Subunternehmer eingesetzt werden durften? Nur der Bauleiter war echt – dafür völlig überfordert, weil sein Arbeitgeber ihm zu viele Einsatzorte auf einmal aufgehalst hatte. Diese Schlaumeier sparten zu Lasten der Kunden und hatten vorwiegend den eigenen Profit, aber nicht das Projekt im Auge. Einen Verantwortlichen gab es nicht, dafür jede Menge Ausreden. Und dass es sich bei dem Auftraggeber um einen Polizisten in hoher Position handelte, beeindruckte niemanden. Die Abschlagszahlungen wurden allerdings pünktlich und mit Nachdruck eingefordert.
Am Anfang war alles sehr schnell gegangen, die Kosovo-Albaner fürchteten auch schwere körperliche Arbeit nicht. Muskulöse, grobe Männer mit schlechten Zähnen, deren Alter niemand richtig einschätzen konnte. Vermutlich hatte jeder von ihnen im jugoslawischen Krieg eine Kalaschnikow getragen, mit der er für die Unabhängigkeit des Kosovo und gegen das Jugoslawien von Slobodan Milošević kämpfte, und Dinge gesehen, die auch an den härtesten Kerlen nicht spurlos vorbeigingen. Und als entlang des steil ansteigenden Sträßchens, das nach Santa Croce hinaufführte, eines Abends an einem Fels in roter Farbe der Schriftzug UÇK prangte, wusste Laurenti, dass er mit seiner Hypothese richtiglag. Wie viele dieser Männer, die ohne zu murren Tonnen von Sand und Zement in Säcken auf den Schultern die vielen Stufenzum Haus herunterschleppten und Abbruchmaterial wieder hinauf, waren wohl von deutschen, amerikanischen und britischen Mitarbeitern privater Sicherheitsfirmen an den Waffen ausgebildet worden? Männer, dachte Laurenti, die denen im Wald oberhalb des Leuchtturms ähnelten, die dort mit schallgedämpften Kalaschnikows auf Wildschweinjagd gingen. Doch den chaotischen Verlauf der Bauarbeiten hatten sie nicht zu verantworten.
An einem Sonntag, als Laurenti ratlos das heillose Durcheinander seiner Baustelle abging, fiel ihm eine transparente Plastikhülle mit Dokumenten ins Auge. Er blätterte sie durch und fand zwischen Lieferscheinen und Plänen den Vertrag, den der ebenfalls aus dem Kosovo stammende Subunternehmer mit der Baufirma abgeschlossen hatte. Er traute seinen Augen kaum und stürmte ins Haus, wo er die Positionen mit dem Angebot abglich. Ihre Summe ergab lediglich ein Viertel dessen, was die Laurentis für Aushub und Rohbau inklusive Baumaterial berappen sollten. Was war hier los? Niemals wäre er auf die Idee gekommen, dass der Unternehmer ihm, dem Vizequestore, illegale, schwarzbezahlte Arbeiter auf den Bau schickte, doch anders war eine solche Kalkulation nicht zu erklären. Und das ausgerechnet bei Laurenti, der vor ein paar Jahren den Schwarzarbeitsmarkt auf der Piazza Garibaldi mit einer Großrazzia ausgehoben hatte, was fette Schlagzeilen machte.
Am Montag war er dann gleich in aller Herrgottsfrühe im Büro des feinen Unternehmers vorstellig geworden, das Gebrüll der beiden Männer schreckte die Angestellten in den anderen Räumen auf. Der Inhaber der Firma bestritt natürlich alles und verwies gleichgültig auf die von Laurenti unterzeichneten Verträge, außerdem müsse auch der Commissario auf der Hut sein, denn er habe schließlich auf einige Zwischenwände verzichtet und Fenster versetzen lassen, was die Baugenehmigung nicht vorsehe. Gerade als sich Laurenti inder Questura mit dem Kollegen besprechen wollte, in dessen Zuständigkeit die Überprüfung des Bauwesens fiel, rief Laura an und meldete, dass die Bauarbeiter keine Stunde nach Arbeitsantritt spurlos verschwunden waren und alles Werkzeug mit ihnen. Laurenti tobte, doch der Bauunternehmer versicherte am Telefon,
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