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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Sekunde gezögert, als Laurenti sie zum zweiten Mal an diesem Tag in Begleitung Battinellis aufsuchte und von dem Fund berichtete, den sie in der verwahrlosten Behausung hinter einer Sockelleiste gemacht hatten.
    »Nun gut. Selbst wenn die Sache einen Haken haben sollte, ich habe keine andere Wahl. Wenn wir den Kerl nicht einlochen, liefern wir den Engländern nur einen weiteren Vorwand, uns in den Dreck zu ziehen. Wenn Gazza in Triest nicht aufzufinden ist, sitzt er vielleicht in seinem Büro in Udine. Fahren Sie gleich hin und nehmen Sie ihn fest. Ich bereite inzwischen den Bericht für den Untersuchungsrichter vor. Und schicken Sie mir heute noch das Gesuch für die Überstellung des Inhaftierten.«
    »Falls ich ihn zu fassen kriege«, ergänzte Laurenti.
    »Kriegen Sie ihn«, sagte die Staatsanwältin einsilbig und schaute Inspektor Battinelli an, aus dessen Mobiltelefon der Triumphmarsch der »Aida« erklang.
    Er murmelte eine Entschuldigung und nahm ab. »Raccaromacht das Schiff zum Auslaufen bereit«, berichtete Gilo, während sie hinausgingen.
    »Als hätte er gerochen, dass ich ihn am Nachmittag aufsuchen wollte, um ihn mit der Notiz des Deutschen zu konfrontieren! Nun, er wird zurückkommen. Battinelli, du hängst dich auf jeden Fall an ihn ran.«
    Der Inspektor musste sich mit Lele verbündet haben. Die Bürokratie würde Laurenti bleiben, dabei hätte er sich Lele allzu gern noch am selben Tag vorgeknöpft.
     
    In das Haus waren sie gegen elf Uhr eingedrungen. Zusammen mit dem Kriminaltechniker, der Marietta über die Fotofallen im Wald informiert hatte. Laurenti hätte gewettet, dass der Mann dämlicher als sonst gegrinst hatte, als er vor der Questura mit seinen Gerätschaften zu ihnen in den Wagen stieg und den Commissario begrüßte. Doch als sie Gazzas Bude auf den Kopf stellten, ging er äußerst konzentriert vor und ließ sich nichts anmerken. Von Hohlräumen hatte der anonyme Anrufer gegenüber dem Redakteur des »Piccolo« gesprochen. Offen blieb, woher er von dem Versteck wusste, das sie keine halbe Stunde später im dritten Zimmer fanden, nachdem sie vorher überall die Bilder abgehängt und die Wände abgeklopft hatten.
    Während Battinelli die Haustür versiegelte, bat Laurenti Marietta telefonisch und mit betont freundlichen Worten darum, aus dem Archiv die Akten der früheren Bewohner herauszusuchen. Zu glatt war alles gegangen, der Informant muss sich gut ausgekannt haben.
    »Ei, ei, ei«, sagte der Kriminaltechniker im Fond des Dienstwagens und schnalzte mit der Zunge, während er auf der Rückfahrt ins Präsidium die Speicherchips in seinen Computer einlas. »Der heiße Juli bringt ja eine schöne Überraschung nach der anderen. Das Jahr der Seitensprünge, der Sommer der Gehörnten. Wenn das kein Hardcore-Pornoist!« Er reichte Laurenti seinen Laptop, und Gilo Battinelli schielte vom Steuer herüber auf den Bildschirm.
    »Und ich hielt die Engländer bisher für prüdes Volk«, sagte Battinelli. »Da sieht man’s wieder, nichts als Vorurteile.«
    »Ein dickes Ding«, raunzte Laurenti. »Wenn diese Fotos echt sind, wer hat dann die anderen gefälscht? Druck das aus, sobald wir im Büro sind.« Laurenti drehte sich zu dem Kollegen auf dem Rücksitz. »Noch vor dem Mittagessen.«
    »Bitte«, antwortete der Kriminaltechniker.
    »Bitte«, wiederholte der Commissario zerstreut. Seine Gedanken galten der Staatsanwältin. Hatte sie ihn nicht gebeten, den Fall zu übernehmen, weil es in dieser Sache jemanden brauchte, der wenig Respekt vor Autoritäten kannte und trotzdem diplomatisch vorzugehen vermochte? Weshalb ahnte Iva Volpini, dass hier mit gezinkten Karten gespielt wurde? Ihren guten Ruf als Ermittlerin trug sie zu Recht.

Die Fahrt hinaus
    Eine weiße Kapitänsmütze mit blauem Schild und goldenen Tressen saß schräg auf dem Kopf des kleinen Mannes, der mit nacktem Oberkörper auf einem Podest am Ruder stand. Um fünfzehn Uhr lief die »Greta Garbo« vom Diesel getrieben aus dem Hafen von Grignano beim Schloss Miramare auf das offene Meer hinaus. Vittoria hatte ihn bereits auf dem Schiff erwartet. Sie trug einen geblümten Pareo um die Hüften und ein weißes Bikinioberteil, das sie besser eine Nummer größer gekauft hätte. Die falsche Gucci-Sonnenbrille mit der auffällig eingearbeiteten Blumen-Applikation im Bügel hatte sie Alberto abgehandelt. Ihr rotes Haar flatterte in der Brise.
    Nachdem Aurelio ihn davon unterrichtet hatte, dass die Journalistin ganz unverhofft nach London

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