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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ihr auf Anhieb gefallen. Die Aussicht war atemberaubend. Die Einrichtung hingegen so zurückgenommen wie der puristische Baustil dieser todschicken Designer-Villa, die sich so unauffällig in die Umgebung einfügte, als hätte sie schon immer dort gestanden. Sie stellte ihre Taschen ab, schob die Glastüren auf und genoss die Brise, die den Geruch des Meeres hereintrug. Die Räume waren spartanisch ausgestattet, sie machte es sich draußen auf einem Liegestuhl bequem und rief Jeremy Jones im »Summit House« am Red Lions Square an.
    »Besser als jedes Hotel, danke«, sagte sie und berichtete, wie sie ihren Verfolger abgehängt hatte.
    »Großartig«, sagte Jeremy und lachte mit einer Genugtuung, als hätte er soeben Fallstaff aus der Falle der lustigen Weiber von Windsor herausgehauen. Er lümmelte in einemledernen Clubsessel, dessen Armlehnen so hoch waren, dass seine freie Hand fast auf Schulterhöhe lag. »An dir ist eine echte Schnüfflerin verlorengegangen, Miriam.«
    »Ich recherchiere, ich schnüffle nicht.« Sie erzählte von ihrem Besuch bei Fausto Aiazzi und den letzten Erkenntnissen über Raccaro.
    »Also was wirst du tun?«, nuschelte Jones, und Miriam hörte das Aufflammen eines Streichholzes und das Paffen, während er sich genüsslich seine Montecristo ansteckte, an der er die ganze Zeit während ihres Gesprächs nuckeln sollte.
    »Ich muss Alberto finden, den somalischen Straßenverkäufer. Er folgte mir während meiner Spaziergänge durch die Stadt. Als er mich vor ein paar Tagen auf meinen Schatten hinwies, habe ich ihm eine Kamera gekauft, mit der er den Kerl fotografiert hat. Hat mich fünfhundert Vorschuss gekostet, den gleichen Betrag schulde ich ihm, wenn er sie mir zurückgibt.«
    »Ganz schön teuer. Jeanette wird’s dir sicher zurückerstatten. Was hast du mit den Bildern vor?«
    »Ich werde Raccaro damit konfrontieren. Und dann werden wir sehen, wie er reagiert. Wer mit falschen Beweisen manipuliert, kann jeden in Misskredit bringen.«
    »So wie die arme Jeanette.«
    Offensichtlich hatte ihre Freundin dem Anwalt die nackten Tatsachen verschwiegen.
    »Und wie mich, durch die unverblümten Verfolgungen.«
    »Mit subtilem, aber unmissverständlichem Druck hat man schon viele unerwünschte Schnüffler verjagt, die ihre Nase in Dinge steckten, die sie nichts angingen. Du bist in sein Revier eingedrungen, besser, du hättest mich die Drecksarbeit erledigen lassen.«
    »Hier scheint wenigstens die Sonne, Jeremy. Und ich glaube kaum, dass du vom Büro aus überhaupt auf Raccaro gekommen wärst.«
    »Dann trage wenigstens einen Tschador«, schlug Jones zum Ende ihres Gesprächs vor. »Dich erkennt man doch auf einen Kilometer Entfernung.«
    »Ich werde mir die Haare umfärben«, sagte sie.
    »Grün, nehme ich an«, seufzte der Anwalt.
    »Rot. Es war die Lieblingsfarbe meines Mannes. Seit seinem Tod habe ich sie nie mehr verwendet.«
    Das nächste Telefonat galt Candace. Noch immer saß sie an der Archivierung der Fotos, die sie von ihrer Reise durch den Orient mitgebracht hatte. Doch während ihre Mutter erzählte, wie sie ihren Verfolger abgehängt hatte, surfte sie bereits auf der Website der Fluglinie, die London und Triest bediente.
    »Um elf Uhr fünfundzwanzig ab Stansted«, sagte Candace aufgeregt. »Es gibt gerade noch zwei Plätze. Ich komme.«
    Miriam freute sich. Sobald die Geschichte um Jeanettes Erpresser ein Ende hatte, könnten sie ein paar Ferientage am Meer verbringen. In Grado vielleicht, wie Jeanette.

Sommerloch
    Es war der letzte Freitag im Juli, und Proteo Laurenti folgte zerstreut den 17-Uhr-Nachrichten im Autoradio, die von einem Kreuzfahrtschiff berichteten, dessen britische Gäste zu Hunderten wegen einer Salmonellenvergiftung in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert wurden. Was haben Russische Eier auch bei solchen Temperaturen auf dem Buffet verloren? Laurenti stellte sich die rosahäutigen Kreuzfahrer in ihren bunten Bermudashorts vor und war zufrieden, ihnen dieses Mal nicht dabei zusehen zu müssen, wie sie schwitzend die große Piazza überquerten und sich dann gleich vor dem erstbesten Café auf die Stühle fallen ließen, um den ganzen Nachmittag dort sitzen zu bleiben. Der Konsum von Kartoffelchips zum Cappuccino war immer wieder beeindruckend. Die Kellner waren instruiert. Und die Tauben harrten einen Flügelschlag entfernt der Zerstreutheit der Gäste, um auf die Tische zu flattern und sich über die Beute herzumachen. Abramowitschs »Ecstasea« aber lag

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