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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Aufzug hinuntergefahren und hatte kurz vor Morgengrauen das Boot beladen. Die Stadt schlief tief, kein Mensch war zu dieser Zeit auf der Straße. Die Aktion dauerte keine halbe Stunde, im kleinen Sporthafen von Grignano lagerte er die Ware im Zweimaster zwischen und transportierte sie nach und nach in seine Wohnung, wo er die Fässer und Säcke im Fitnessraum deponierte. Eine Küchenwaage, Einschweißgerät, adrette Plastikbehälter aus einem Geschäft für Haushaltswaren, die er mit sachlichen, selbstentworfenen Etiketten versah, sowie ordentlicheVersandkartons waren alles, was es brauchte, um den Deal perfekt zu machen. Fleißarbeit. Sollten genügend Bestellungen eintreffen, hätte er die nächsten Tage ausreichend Zeit, sie zu verarbeiten. Nach vier Stunden Schreibtischarbeit allerdings war es an der Zeit für den Aperitif.
    Mutterseelenallein hatte die Schauspielerin auf einer der Paletten vor dem Lokal gesessen und traurig aufs Meer hinausgeschaut. Aurelio begrüßte sie überschwänglich, und sie schien sich über ein bekanntes Gesicht zu freuen. Er spendierte ihr einen Drink, einen Negroni, dessen Alkoholgehalt sie rasch spüren sollte. Ein paar Meter weiter flirtete der stadtbekannte Skipper wieder einmal mit der hübschen blonden Frau vom Auktionshaus. Seit ein paar Tagen gehörten auch sie zum Stammpublikum der Stazione Rogers.
     
    Cornelia Katschek war der junge Mann mit dem roten Klunker um den Hals nicht sonderlich sympathisch. Doch er hörte ihr aufmerksam zu und stellte einfühlsame Fragen, als sie schon leicht beschwipst ihr Leid über die chaotischen Dreharbeiten klagte und sich über Harald Bierchen empörte. Aurelio hatte sie eingeladen. Ein Flirt aber war das letzte, worauf sie Lust hatte, für eine Affäre war sie viel zu müde. Frank und frei teilte sie ihm dies mit, kaum dass sie auf der Terrasse neben der stark befahrenen Uferstraße Platz genommen und ihr Essen bestellt hatten. Doch ihre, wie sie fand, klaren Worte schienen Aurelio geradezu aufzufordern. Er bestellte ein Tsingtao-Bier nach dem anderen und goss nach, sobald sie einen Schluck von ihrem Glas genommen hatte. Er machte ihr Komplimente, strich sanft die schwarzen Locken aus ihrer Stirn und beschwor sie, nach dem Dreh einfach in Triest zu bleiben. Am Meer und in der Wärme, die ihr in Berlin sicher fehlten. Er lud sie zu einem Ausflug mit seiner Yacht ein, einem Zweimaster aus den dreißiger Jahren. In ein paar Tagen schon, sobald er einen dringenden Auftrag erledigtund sie Drehpause hätte. Ein romantisches Bad im offenen Meer, ein Abendessen mit Foie gras und Champagner auf der Yacht, die Wellen, die gegen den Bug plätscherten. Doch Cornelia Katschek blieb standhaft. Ständig schob sie seine Hand zurück, während sie geschickt mit den Stäbchen das Essen zum Mund führte. Aurelio biss auf Granit und verstummte zunehmend. Sein Blick verengte sich, allmählich begann er, die Einladung zu bereuen.
    Gegen dreiundzwanzig Uhr schaute er immer öfter auf seine Armbanduhr, und als der schwarze Straßenverkäufer seine Talismane anpries, fuhr er ihn schnöde an, seinen Schund doch an die Neger in Afrika zu verkloppen. Der Mann zog wortlos und aufrechten Hauptes weiter, als gehörten solche Demütigungen zu seinem Tagesgeschäft, und verschwand im Lokal. Aurelio erhob sich, um die Rechnung am Tresen zu begleichen. Er habe noch andere Verpflichtungen, murmelte er.
     
    Die Chinesin an der Kasse schenkte ihm einen süßen Pflaumenlikör ein, bevor sie die Rechnung herausließ. Der Schwarze saß inzwischen mit einer Rothaarigen, die Aurelio den Rücken zuwandte, an einem Tisch. Hätte der Mann im dunkelblauen Kaftan sie nicht Miriam genannt, wäre sie Aurelio nicht weiter aufgefallen. Er horchte auf und trat hinter einen Raumteiler, von wo er sie unauffällig beobachten konnte. Kein Zweifel, die Schleichkatze! Sie war nicht abgeflogen. Allmählich begann er zu begreifen. Als er sie auf ihren Streifzügen durch die Cafés verfolgt hatte, war er auch immer wieder dem Straßenverkäufer über den Weg gelaufen. Der Kerl hatte ihn also gesehen, und sie hatte ein Spiel mit ihm getrieben und ihn aufs übelste ausgetrickst. Zu allem Überfluss hatte er Lele auch noch selbstzufrieden versichert, dass die Journalistin endlich den Rückzug angetreten habe und er beruhigt zur Tagesordnung zurückkehren konnte. Das würdeder Alte ihn spüren lassen. Was konnte er denn zu seiner Rechtfertigung vorbringen, und was zum Teufel hatte die Schleichkatze vor?

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