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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Und die feuerrot gefärbten Haare waren doch nicht etwa ein Versuch der Tarnung?
    Er hörte deutlich Albertos Worte: Morgen früh sollte sie sich um sechs Uhr im Park von Schloss Miramare einfinden und den zweiten Teil des vereinbarten Betrags mitbringen. Der Straßenverkäufer erhob sich, als Miriams Essen serviert wurde, nochmals ermahnte er sie, am anderen Morgen pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt zu kommen.
    Nachdem Alberto das Lokal verlassen hatte, trank Aurelio den Schnaps in einem Zug aus, bezahlte und verließ das Lokal, vor dem er die Schauspielerin kühl verabschiedete. Sie möge doch ein Taxi nehmen, nach dem vielen Bier könne er sie nicht mehr nach Hause fahren. Grußlos ließ er sie stehen und verschwand auf der dunklen Piazza Venezia. Er musste dem Spiel jetzt definitiv ein Ende setzen.
     
    *
     
    Es war kurz vor halb vier, als Miriam müde den Laptop zuklappte. Die zwei Stunden Schlaf, die ihr jetzt noch blieben, würde sie dringend brauchen, denn schon um sechs Uhr sollte sie Alberto bei Schloss Miramare treffen. Die Stelle, an der sie durch den Gitterzaun des Schlossparks schlüpfen konnte, hatte er ihr genau beschrieben. Sein Unterschlupf würde sich in einem Gartenhaus in der Nähe des schmucken kaiserlichen Bahnhofs befinden, doch wollte er ihn auf keinen Fall preisgeben. Miriam vermutete, dass er sie mit anderen Männern teilte, die wie er ihr Geld mit dem Verkauf von Feuerzeugen, Sonnenbrillen, Armreifen und anderem Kram zu verdienen suchten und an das verbliebene Mitgefühl der Leute appellierten, das der Angstmacherei dumpfpopulistischer Politiker noch widerstand.
    Unruhig wälzte sie sich hin und her. Immer wieder schob sich der rote Stein ins Bild, der an der Goldkette um den Hals ihres Verfolgers baumelte. Ausgerechnet in einem China-Restaurant musste der Kerl sie entdecken. Ein Lottogewinn wäre wahrscheinlicher gewesen. Als sie das Lokal verlassen hatte, sah sie ihn sofort. Auf der anderen Straßenseite lehnte er im Dunkeln an einem Baum. Schnurstracks ging sie auf ihn zu und sie wollte ihn stellen. Sofort. Doch er verdrückte sich flugs in eine unbelebte Gasse, wohin sie ihm zu folgen sich nicht traute. Kaum aber hatte sie die Piazza Venezia überquert und war vor dem Museo Revoltella in die menschenleere Via Diaz eingebogen, spürte sie, dass er wieder in der Nähe war. So schnell wie möglich musste sie die Cavana erreichen, wo sich die Menschen vor den Bars vergnügten.
     
    War sie ihrem Verfolger wirklich entkommen? Hatte sie ihn tatsächlich abgehängt? Was zum Teufel beabsichtigte er? War dieser Aurelio ein Psychopath, der sich an ihrer Angst ergötzte?
    Konnte sie eigentlich der Inspektorin vertrauen, die ihre Anzeige aufgenommen hatte? Besonders bemüht hatte sie nicht gewirkt. Am nächsten Tag sollte Miriam sich die Fotos einschlägig Vorbestrafter ansehen, das war alles, was sie ihr angeboten hatte. Zur gleichen Zeit wollte Miriam ihre Tochter am Flughafen abholen, dann wäre sie in Triest zumindest nicht mehr allein. Oder sollte sie aufgeben, wie die beiden Anwälte ihr geraten hatten, ihnen die Sache überlassen und mit Candace wegfahren, sobald sie die Kamera hatte und bei der Polizei gewesen war? Weg aus dieser Stadt des Kaffees und der Verrückten?
    Miriam ging in die spartanisch ausgestattete Küche. Vergebens durchwühlte sie die Schubladen nach einem geschliffenen Messer. So exklusiv diese Wohnung auch war, ihre Inhaber gingen zum Essen vermutlich grundsätzlich aus. Siewürde es wagen müssen, ohne Waffe in den Park zu gehen. Immerhin war sie eine gute Läuferin und von guter Konstitution. Sie setzte Kaffee auf und duschte lange.

Gott schuf also den Menschen als sein Abbild;
als Mann und Frau schuf er sie
    »So schlimm ist der Schaden auch wieder nicht, Laura. Wir bringen die Karre am Montag in die Werkstatt. Das zahlt die Versicherung«, sagte Proteo Laurenti und warf mit Schwung den armdicken Ast ins Gebüsch, mit dem er den rechten Kotflügel des neuen Alfa Mito aufgebogen hatte, bis das Vorderrad wieder frei war. Der Scheinwerfer war eingedrückt, der Wagen schielte nun ein bisschen. »Damit fahren kannst du wieder, aber verrat mir wenigstens, seit wann du am Abschussprogramm der Wildschweine teilnimmst. Zahlen sie dir eine Prämie?«
    Die Waldhüter, die er vom Auto aus verständigt hatte, luden das Wildschwein auf den Landrover, nachdem sie dem verletzten Tier, das sich vergeblich aufzurappeln versuchte, mit der Remington den Gnadenschuss gegeben hatten.

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