Keine Frage des Geschmacks
Pflaumenschnaps abgesetzt und sich mit dem Handrücken über den Mund gewischt. Schnell wandte sie sich ab und stocherte mit den Stäbchen im Reis. Sie hörte, wie er sich verabschiedete und das Lokal verließ.
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Die falsche Kommissarin wollte unbedingt zum Chinesen. In Triest! Aurelio mied diese Lokale, ihm waren die Asiaten nicht geheuer, missmutig beobachtete er, wie sie sich ausbreiteten. Seit Drehbeginn hatte er die deutsche Schauspielerin im Visier und es endlich geschafft, sie zu einem Abendessen zu überreden. Cornelia Katschek bestand auf chinesisches Essen. Auch am Prenzlauer Berg in Berlin bevorzuge sie die asiatischen Restaurants, sie seien schmackhaft und vor allem preiswert.
Die AFI hatte der Schauspielerin vor einer Woche ein neues Appartement besorgt und Aurelio ihr die Schlüssel übergeben und das Gepäck dorthin gebracht. Trotz der schönen Aussicht vom Balkon der alten Bleibe, wollte sie dringend der unmittelbaren Nachbarschaft des großen Direktors entkommen. Harald Bierchen hatte fast jede Nacht an ihrer Tür geklingelt. Obgleich sie ihm klar ins Gesicht gesagt hatte, was sie von ihm hielt, ließ er nicht von seinen Anträgen ab und versprach ihr eine goldene Zukunft im Fernsehfilm,wenn sie ihm nur ein bisschen entgegenkommen würde. Zuletzt war sie auf Zehenspitzen in ihr Appartement geschlichen.
Aurelio hatte Gefallen an der vierunddreißigjährigen Schauspielerin gefunden, deren erste Hauptrolle es war, für die man sie allerdings erst in letzter Minute engagiert hatte, da die vorgesehene Hauptakteurin sich kurz vor Drehbeginn das Bein gebrochen hatte. Der Markt war wegen der Wirtschaftskrise hart umkämpft, viele ihrer Kollegen waren ohne Job oder verdingten sich für lausiges Geld. So wie Cornelia Katschek, deren Gage gerade mal ein Drittel ihres namhaften Kollegen ausmachte, der den Staatsanwalt spielte. Und das trotz Koproduktion. Ihr pechschwarzes Haar habe letztlich den Ausschlag gegeben und ihr »italienisches Aussehen«, wie es die Fernsehleute nannten.
Den Vertrag hatte sie unterschrieben, ohne das Drehbuch gelesen zu haben, und begann sofort, sich den Text einzuhämmern, wofür ihr gerade eine Woche Zeit blieb. Das letzte Engagement lag schon über ein Jahr zurück, und sie befürchtete, mit jedem weiteren Tag, der verstrich, jeder weiteren Absage, die sie kassierte, endgültig durch das Raster zu fallen. Um sich über Wasser zu halten, hatte sie zuletzt billige Werbefilmchen gedreht, in einer Kreuzberger Theaterinitiative mitgewirkt und in der Kneipe einer Freundin gekellnert.
Aurelio hatte die Schauspielerin zufällig an der Stazione Rogers getroffen, nachdem er mit der Büroarbeit durch war. Der Nachmittag war für ihn günstig gewesen, Lele war mit der »Greta Garbo« ausgelaufen, und Aurelio hatte freie Hand. In aller Seelenruhe lud er den Adressfile der Luxuskunden vom System herunter und informierte jeden einzelnen von Raccaros Kunden per Mail darüber, dass ein Sonderposten Rohkaffee der exklusiven Sorten »Kopi Luwak«, »Jamaika Blue Mountain«, »Tansania Peaberry« und »Hawaii CaptainCook« eingetroffen sei. Eilige Bestellungen würden gegen Vorkasse ausgeführt, vakuumverpackt in Zwei- oder Fünf-Kilo-Packungen, solange der Vorrat reichte. Aurelio hatte den Coup seit langem vorbereitet. Er war darauf gekommen, als Lele ihn wieder einmal zu Zadar geschickt hatte, um bestellte Ware abzuholen und versandfertig zu machen. Die Adressen standen bereit, der Rohkaffee wartete geradezu darauf, entführt zu werden. Ein Bankkonto hatte er in Koper bei der Filiale eines Kärntner Kreditinstituts, nachdem er von einem Freund den Mantel einer nie tätig gewordenen Firma »Kras in Morje d.o.o.« erstanden hatte – Karst und Meer GmbH. Nichts konnte auf ihn zurückfallen. Und niemand würde sich auf die Suche machen, wenn er die Bestellungen in den nächsten Tagen ordnungsgemäß ausführte. Die ersten Antworten trafen bereits nach einer Stunde ein. Ein lukratives Geschäft bahnte sich an, mit dem er gut und gern das Doppelte von dem verdienen könnte, was Jeanette ihm für die Fotos schuldete.
Der Einbruch in die Geschäftsräume des Rohkaffee-Importeurs war ein Kinderspiel gewesen, der Abtransport schon schwieriger. Tag und Uhrzeit hatte er genau berechnet. Bei Ebbe passte das Beiboot der »Greta Garbo« knapp unter dem niedrigen »Ponte Verde« durch, der Brücke, die den Canal Grande vom offenen Meer trennte. Zweimal war er von Zadars Geschäftsräumen mit dem
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