Keine Gnade
seufzte.
»Bist du bereit?«, fragte Sami.
»So bereit, wie ich nur sein kann.«
Als sie auf die vordere Veranda zugingen, fiel ihr eine Holzschaukel auf, die an Messingketten hing. Das Holz sah so glänzend aus wie der FuÃboden eines Gymnasiums. Um den Eingang standen Tontöpfe mit Geranien, Petunien und Buntnesseln. Die Haustür, die mit Bleiverglasung abgesetzt war, wirkte wie aus solidem Mahagoni.
Noch bevor sie an die Tür klopfen konnte, öffnete sie sich quietschend.
»Detective Rizzo?«, fragte die Frau. Ihr mittelblondes Haar sah aus wie frisch frisiert, doch ihr perfektes Make-up konnte die dunklen Ringe unter ihren verquollenen Augen nicht verbergen.
Sami streckte ihre Hand aus. »Mrs Stevens?«
»Bitte sagen Sie Elizabeth zu mir.«
Sami deutete auf ihren Partner. »Das ist Detective Osbourn.«
Elizabeth Stevens neigte ihren Kopf zur Seite und betrachtete Osbourns Gesicht. »Für einen Detective sind Sie ziemlich jung«, sagte sie. »Sie müssen sehr intelligent sein.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Osbourn.
Elizabeth Stevens bat die Detectives in ihr Haus und zeigte auf das viktorianische Sofa. »Setzen Sie sich doch bitte.«
Sami betrachtete das makellose Sofa und hatte das Gefühl, die erste Person zu sein, die jemals darauf saÃ. Sie war erstaunt, dass es nicht mit Plastik überzogen war.
»Kann ich Ihnen einen Tee oder ein Erfrischungsgetränk anbieten?«, fragte Elizabeth. »Eiswasser vielleicht?«
Sami konnte sich nicht daran erinnern, wann ihr von den Verwandten eines Mordopfers so viel Gastfreundschaft entgegengebracht worden war. »Vielen Dank, wir brauchen nichts.«
Elizabeth Stevens setzte sich auf den zum Sofa passenden Stuhl neben die Detectives.
»Wird Mr Stevens dazukommen?«, fragte Sami.
»Ich befürchte nicht.« Elizabeth faltete ihre Hände auf dem Schoà und saà kerzengerade da. Sie sah aus wie eine Lehrerin einer höheren Mädchenschule. »Connors Tod hat meinen Mann regelrecht aus der Bahn geworfen. Joseph steht zurzeit unter ärztlicher Aufsicht, und er schläft mehr, als dass er wach ist.« Sie hielt einen Augenblick lang inne und kämpfte sichtlich mit den Tränen. »Nur der Gnade des Allmächtigen habe ich es zu verdanken, dass ich in der Lage bin weiterzumachen.«
Wenn Sami bedachte, dass ihre Mutter den Wunsch geäuÃert hatte, zur Sonntagsmesse gehen zu wollen, und Al kürzlich zu Gott gebetet hatte, seiner Schwester Aleta zu helfen, dann fragte sie sich, ob Gott ihr indirekt eine Botschaft schicken wollte. Gottes Wege sind unergründlich, oder so ähnlich, hatte man ihr erzählt.
»Mein aufrichtiges Beileid«, sagte Sami. »Und es tut mir sehr leid, dass es für Mr Stevens so eine schwierige Zeit ist.«
Sie lieà Elizabeth eine Minute Zeit, um sich wieder zu sammeln. »Können wir Ihnen einige Fragen stellen?«
»Aber sicher.«
Sami stellte den Digitalrekorder auf den Couchtisch und holte einen Notizblock und Stift aus ihrer Jackentasche. »Dürfen wir dieses Gespräch aufzeichnen?«
Elizabeth nickte.
»Wann haben Sie Connor zum letzten Mal gesehen?«, fragte Sami.
»Wir haben zusammen gegessen, genau an dem Abend, bevor er verschwand. Er war gerade siebenundzwanzig geworden, und so haben wir ihn zu seinem Lieblingsessen zu uns eingeladen. Putenhackbraten, Broccoli und Kartoffelpüree mit Knoblauch. Mein Sohn war kein Vegetarier, aber er hat niemals Rind oder Schwein gegessen.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wo er an dem Abend hinging oder wer bei ihm war?«
»Connor hatte mehr Freunde als jemand, der gerade im Lotto gewonnen hatte, also könnten es jede Menge von ihnen gewesen sein.«
Sami war ein wenig ärgerlich, weil Osbourn wie ein ausgestopftes Tier dasaÃ, aber sie hatte keine Zeit, ihm das Händchen zu halten. Wenn er so clever war, wie jedermann behauptete, dann würde er aus dieser Erfahrung lernen. »Wäre es möglich, von Ihnen eine Liste all seiner Freunde zu bekommen und wie man sie erreichen kann?«
»Ich kann Ihnen nur sagen, dass mein Sohn Stunden auf Facebook verbracht hat. Erst kürzlich hat er mir erzählt, dass er über tausend Freunde hat.«
»Ich habe dabei mehr an persönliche Freunde gedacht, die hier wohnen. Freunde, mit denen er herumziehen würde.«
»Ich weià nicht, wie man sie erreichen kann, aber ich
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