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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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kommt er denn zurück?«
    Genau davon träumte sie als Erstes an diesem Morgen: eine große Inquisition, veranstaltet von ihrem am wenigsten geschätzten Kollegen. Die Engel der Barmherzigkeit müssen böse auf mich sein, dachte sie.
    Â»Sie ist noch nicht über den Berg, aber es gibt Anzeichen der Besserung.«
    Â»Das ist gut zu hören.« D’Angelo lehnte sich gegen ihren Schreibtisch. »Wie kommt deine Mom denn so nach ihrer Operation zurecht?«
    In all den Jahren, die sie nun schon mit D’Angelo arbeitete, hatten sie nicht ein Gespräch miteinander geführt, das länger als zwei Minuten gedauert hatte. Vor allem keins, in dem er die Fragen stellte und sie die Antworten lieferte. Woher kam das plötzliche Interesse?
    Â»Wo hast du das von meiner Mutter gehört?«
    Â»Habe es aus einem Gespräch zwischen Al und dem Captain.«
    Sie hätte am liebsten gesagt: »Mit anderen Worten steckst du deine Nase in Angelegenheiten, die dich nichts angehen. Wieder einmal !«, doch sie ließ es lieber bleiben.
    Â»Meine Mutter kommt ganz gut zurecht. Besten Dank der Nachfrage.«
    Â»Hey, wir gehören doch hier alle zum selben Team.«
    Sie biss sich auf die Zunge.
    Â»Wer kümmert sich um sie, während sie sich erholt?«
    Â»Eine gute Freundin.« Es gab keinen Grund, ausführ­licher zu werden.
    Â»Es ist schön, jemanden zu haben, der bereit ist zu helfen.«
    Weil sie das Gespräch beenden wollte, griff sie nach dem Hörer, in der Hoffnung, er würde ihren Wink verstehen.
    Doch er gab nicht auf. »Und mit Osbourn läuft alles gut?«
    Â»Scheint ein schlaues Kerlchen zu sein.«
    Â»Er ist noch ein bisschen grün hinter den Ohren, aber ich denke, für einen Cop hat er die besten Voraussetzungen.«
    Â»Nun ja, wenn wir den Serienkiller festnehmen, werde ich ganz sicher ihm den Verdienst dafür zuschreiben. Das dürfte seine Karriere steil voranbringen.«
    Er schaute sie von der Seite her an. »Ernsthaft?«
    Â»Da kannst du Gift drauf nehmen. Ich muss jetzt ein paar Anrufe machen. Chuck, es war nett, mit dir zu plaudern.«
    Nach diesen Worten zog D’Angelo davon.

    Spencer kam eine halbe Stunde vor Öffnung des Postamtes dort an und hoffte, einen geeigneten Parkplatz zu finden, von dem aus er uneingeschränkte Sicht auf den Haupteingang hatte. Doch es war in La Jolla schon schwierig genug, überhaupt einen Parkplatz zu finden, geschweige denn einen speziellen. Heute hatte er Glück, und er fuhr mit seinem Wagen auf den perfekten Platz.
    Er stellte den Motor ab, ließ den Schlüssel aber so stecken, dass er während der Wartezeit seine Lieblingskassette hören konnte. Hank Williams schmetterte eines seiner Lieder. Spencer fühlte sich nicht ganz wohl, weil er seinem Klienten hinterherspionierte. Als Privatdetektiv hatte er schon so einiges an Verwerflichem durchgezogen, nur wegen ein paar Dollars. Doch sogar Kriminelle hatten einen gewissen Moralkodex. Als Privatdetektiv war er in erster Linie seinen Klienten gegenüber zu Loyalität verpflichtet. Doch wie ­loyal war er tatsächlich, wenn er da in seinem Wagen saß und versuchte, irgendwelchen Dreck über seinen Klienten auszugraben? Für einen flüchtigen Augenblick dachte Spencer darüber nach, den Motor anzulassen und wegzufahren, doch als er einen Wagen auf der anderen Straßenseite halten und »John Smith« mit einer Chargers-Basecap aus einem neuen Ford Fusion steigen sah, war es zu spät, um seinen Plan aufzugeben.
    Spencer ließ sich in seinem Sitz nach unten rutschen und versuchte sich so gut es ging zu verstecken, während er »John Smith« beobachtete. Sein Klient stieg aus dem Wagen und joggte fast zum Haupteingang des Postamtes. Er rüttelte an der Türklinke, aber es war noch abgeschlossen. Spencer und sein Klient blickten fast gleichzeitig auf ihre Uhren. Viertel vor acht. Er beobachtete, wie sein Klient hin- und herging und jede Minute auf die Uhr blickte. Ihm war ganz offensichtlich unwohl. Einmal klopfte er sogar an die Tür, hoffte vielleicht, dass sie etwas früher öffnen würden, wenn sie einen ungeduldigen Kunden draußen warten sahen. Aber die Türen blieben geschlossen.
    Pünktlich um acht Uhr schloss eine blonde Frau mittleren Alters die Eingangstür auf und ließ Spencers Klienten zusammen mit drei weiteren Kunden in das Gebäude. Spencer konnte nicht

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