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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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aber Polizeiarbeit geht nach dem Ausschlussverfahren vor. Sie haben eine Spur. Sie jagen ihr hinterher. Wenn Sie dabei in einer Sackgasse landen, müssen Sie in einer anderen Richtung weitermachen. Würden Sie mir nicht zustimmen?«
    Die Bürgermeisterin stand auf, lehnte sich gegen Larsons Schreibtisch und verschränkte ihre Arme. »Wie wollen Sie also weiter vorgehen, Detective?«
    Bei solchen Gelegenheiten bedauerte Sami, sizilianisches Blut in ihren Adern zu haben. Was hätte sie der Bürgermeisterin nicht alles sagen mögen. »Sobald die überarbeitete Phantomzeichnung vorliegt, werde ich mich mit dem gesamten Team zusammensetzen und die Verteilung in der ganzen Stadt, dem Staat und den Bundesbehörden organisieren. Wir werden die Zeichnung auch mit der Datenbank von Fotos abgleichen, die wir über die Beschäftigten im Gesundheitswesen angelegt haben, die unseren Kriterien entsprechen. Wenn wir damit durch sind, werden wir wieder loslegen und mögliche Verdächtige befragen, die aufgrund unserer Phantomzeichnung in Frage kommen.«
    Â»Okay«, sagte die Bürgermeisterin. »Ich werde Sie dabei an der ganz langen Leine laufen lassen. Hoffentlich hängen Sie sich nicht daran auf.«

35    Julian kam ein paar Minuten zu früh am Kate Sessions Park an, er war aufgeregt und nervös zugleich. Einmal abgesehen von drei Teenagern, die ein Frisbee durch die Gegend warfen, einer vierköpfigen Familie beim Picknick und einer jungen Frau, die ihren Golden Retriever ausführte, war es im Park ruhig. Und genau so hatte er es sich vorgestellt. Nicht dass er die Absicht hatte, sich McKenzie hier zu schnappen – das wäre viel zu riskant. Aber je weniger Leute sie zusammen sahen, umso geringer war die Chance, bei ihrem Verschwinden eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen.
    Obwohl er einige interessante und seiner Meinung nach wichtige Entdeckungen gemacht hatte, ging es mit seiner Forschung doch nicht so gut voran, wie er gehofft hatte. Im Krankenhaus verfügte er über unbegrenzte Ressourcen – Medikamente, chirurgische Instrumente und modernste medizinische Geräte, einmal ganz abgesehen vom gesamten Forschungspersonal, das ihm zur Verfügung stand. Vom chirurgischen Standpunkt aus war sein Loft bestenfalls ausgerüstet wie eine unterfinanzierte Klinik. Es war einfach, eine Handvoll Skalpelle, einen Rippenspreizer oder Betäubungsmittel mitzunehmen, die bequem in seine Aktentasche passten. Doch das einzige diagnostische Gerät, das ihm zur Verfügung stand, war ein veralteter Herzmonitor, den er sich gebraucht bei einem medizinischen Ausrüster gekauft hatte. Er konnte ja nicht einfach mit einem Zehntausend-Dollar-Gerät unter dem Arm aus dem Krankenhaus spazieren.
    Plötzlich tauchte eine Frau von irgendwoher auf, wanderte mit zwei jungen Mädchen an der Hand, die genauso alt waren wie Julians Töchter, über den Rasen. Seine Gedan­ken schweiften zu Lorena und Isabel. Er hatte sich schrecklich schuldig gefühlt und tiefen Verlust empfunden, als er drei Koffer gepackt hatte und von zu Hause ausgezogen war. Er hatte geglaubt, dass die Trennung von seinen Töchtern sich als verheerend erweisen würde. Er fühlte sich natürlich schrecklich, wenn er sie wieder zu Hause absetzte, nachdem sie sich gesehen hatten. Doch er spürte nicht die intensive Leere, die er eigentlich erwartet hatte. War er ein mieser Vater? Würde er jemals in der Lage sein, all den Schaden, den er angerichtet hatte, wiedergutzumachen? Kinder offenbarten nicht immer ihre Gefühle. Ängste und Unsicherheiten waren oft ganz tief im Innern vergraben. Er wusste das nur zu gut. Als er jung war, von keinem geliebt wurde und sich verzweifelt um die Anerkennung seiner Eltern bemühte, wusste niemand um seine private Hölle. Niemand hatte jemals verstehen können, wie ihm in seinem gebrochenen Herzen zumute war.
    Gedanken an Nicole überkamen ihn. Nach seiner Trennung von ihr wurde ihm klar, dass er schon seit Jahren unglücklich in seiner Ehe war. Manchmal verdrängte man bequemerweise das nur allzu Offensichtliche. Wären seine Töchter nicht gewesen, hätte er vielleicht den Mut, Nicole zu verlassen, schon vor Jahren aufgebracht. Doch jetzt musste er sich dringender denn je darum kümmern, sich die Forschungsförderung der GAFF zu sichern. Wenn das erst mal bewilligt war, wäre er in der idealen Position, Nicole

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